Der Titel kommt nicht umsonst so sperrig geschrieben daher. Das Thema ist sperrig. Auf den rückseitigen Umschlagtext heißt es „Wie weit muss man weggehen, um von seiner Herkunft nicht heimgesucht zu werden? Wie soll man das nennen, wenn man sich ständig für eine Stadt rechtfertigen muss, in der man schon seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr wohnt?“
Wer von Heimsuchung spricht, ist rechtschaffend sauer, enttäuscht, ratlos. Denn ums kurz zu machen, Sehr geehrter Herr Richter, diese Frage erübrigt sich. Wo auch immer Sie sind, Ihre Herkunft kommt mit. Das ist so sicher, wie es in Australien bei den deutschen Auswanderern die beste Schwarzwälder Torte dieser Erde gibt und die akkuratesten Paradekissen auf dem Sofa.
Doch darum geht’s hier nicht im Kern. Im Mittelpunkt steht die Debatten-Entwicklung in Dresden, die unkultivierten Äußerungen aus einer weltweit bekannten Kulturstadt, von der die Menschen in aller Welt wahrscheinlich besser wissen, von wo überall her die kulturellen Einflüsse nach Elbflorenz strömten als manche Menschen, die hier geboren wurden. Was veranlasst Menschen zum abendlichen Spaziergang und wo sind die Wurzeln der Feindseligkeit?
Peter Richter stammt aus Dresden Loschwitz, wohnt und arbeitet seit 2012 als Kulturkorrespondent in New York. Seine Heimatstadt lässt ihn nicht los, auch, weil Menschen wie Tom Hanks ihn plötzlich fragen: Was ist denn da los?
Der ehemalige Kreuzschüler antwortet in Assoziationen, mit enormen Kenntnissen. „Ironisch und rasant ist Peter Richters Sprache, voll detailliert-pointierter Beobachtungen und Erlebnisse, “ schreibt die Süddeutsche Zeitung über ihn. Und seine Leser?
Neben u.a. Harry Rohwolt und der Berliner Journalistenkollegin Sabine Rennefanz präsentiert Luchterhand, ein Verlag der Random House GmbH auch Richters Werke.
„DRESDEN REVISITED“ ist Ende August erschienen. Nun ist der Sommer nicht gerade die Lesejahreszeit, doch das macht ja nichts. Dafür gibt es den Winter und den weihnachtlichen Gabentisch.
Peter Richter nahm seine Dresdner Rede im Februar zum Anlass, weiter zu denken, aufzuarbeiten, noch mehr zu beobachten, um endlich die Frage beantworten zu können. Was ist hier los?
Für seine Antworten zieht Peter Richter weite Kreise in Kunst, Literatur und bei bekannten Politikern, wie Helmut Schmidt, um sich an den passenden Blickwinkel zur Erklärung und Deutung der Offensichtlichkeit heranzutasten. Ein Beispiel ist die Interpretation des Rubens-Bildes „Der Raub der Töchter des Leukippos“. Was ihm Professor Martin Warnke damals in seinem Hamburger Studium der Kunstgeschichte beigebracht hat, wirkt noch heute. Gegensätzliche Interpretierungen erzeugen im Kopf Fixierbilder. Das bekannteste ist das von der jungen und der alten Frau. „Das Auge will dann ständig wechseln, aber die wirkliche Zumutung ist der Versuch, beide Perspektiven gleichzeitig in den Blick zu nehmen, ohne dass einem schwindelig wird.“ Was Richter hier auf Seite 51 ausführt, ist das Phänomen, aus der Entfernung auf etwas Bekanntes zu schauen. Wenn einem nicht egal ist, was man sieht, beginnt es innerlich zu arbeiten. Das tut es bei Peter Richter offensichtlich und genau das erwartet er auch von seinem Leser. Das Buch hat keine Antworten auf das, was jetzt und hier in Dresden, Bautzen und Heidenau passiert und passiert ist. Das Buch spiegelt Wahrnehmungen und pirscht sich an die Wurzeln heran. Für alle wachen Geister, die fit sind in Kunst, Literatur und Politik, ein Genuss auf 160 Seiten und Inspiration, die Debatte zu erweitern.