In Dresden begeisterte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für Europa Tausende von jungen Zuhörern. Vor der Frauenkirche rief Macron dazu auf, die Kraft und das Engagement zu finden, Europa überall zu verteidigen. Seine Rede, in der er zwischen Französisch und Deutsch wechselte, war geprägt von ehrgeizigen Visionen und persönlichen Noten. Höhepunkt war der gemeinsame Gesang der Europa-Hymne mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und einem Jugendchor.
Macron betonte am geschichtsträchtigen Ort in Dresden die Notwendigkeit eines starken und souveränen Europas. Europa befinde sich an einem Scheideweg, so der französische Staatschef, der auch Jugendliche aus Polen, Tschechien und Frankreich ansprach. Er warnte davor, dass Europa sterben könne, wenn nicht gehandelt werde. Frieden, Wohlstand und Demokratie seien bedroht und ein Garant für Frieden.
Insbesondere vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine betonte Macron die Bedeutung einer eigenständigen europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik innerhalb der Nato. Diese Forderungen hatte er bereits in einer vorherigen Rede an der Pariser Sorbonne-Universität formuliert, ebenso wie seine Vision für ein wirtschaftlich eigenständiges Europa. Europa müsse in der Wirtschaftspolitik souveräner und unabhängiger werden, um den Herausforderungen durch China und die USA standzuhalten. Ein Wachstumsmodell für künftige Generationen sei notwendig.
«Europa ist kein Supermarkt»
Knapp zwei Wochen vor der Europawahl warnte Macron in Dresden auch vor dem Erstarken von Extremen in Europa - auch vor dem Hintergrund, dass die Rechtsnationalen um Marine Le Pen Umfragen zufolge bei dem Votum in Frankreich stärkste Kraft werden und Macrons Liberale deutlich überholen dürften. Demokratie und Freiheit seien allen als so selbstverständlich erschienen, meinte Macron. Nach dem Mauerfall habe man gedacht, dieser Wind werde sich überall ausbreiten.
«Aber lasst uns heute um uns schauen! Lasst uns die Faszination für autoritäre Regime anschauen. Lasst uns in Europa den illiberalen Moment anschauen, den wir durchleben!» Macron mahnte, vielen wollten zwar die Gelder aus Brüssel, doch von unabhängiger Justiz, Pressefreiheit, Kulturvielfalt und Autonomie der Universitäten nichts wissen. «Diese Tendenz ist keine Tendenz, sie ist Realität in Ungarn. Das war Realität bis zu den wunderbaren Wahlen in Polen.» Macron ergänzte: «Überall in unseren Demokratien gedeihen diese Ideen, denen von den Extremen und besonders den Rechtsextremen Aufschwung gegeben wird.»
Eindringlich forderte der 46-Jährige: «Lasst uns aufwachen! Unser Europa ist kein Supermarkt!» Europa sei nicht nur ein Ort, an dem man sich gemeinsame Regeln gebe. «Es ist eine Säule der Werte, der Kultur, der individuellen und politischen Freiheiten.» Man müsse Europa verteidigen und auf die Sorgen und auf die Gründe für die Wut mit einem Europa des Respekts antworten. «Ein Europa, das in gewisser Weise einen Humanismus von Grund auf aufbaut.»
Steinmeier fordert Mut und Zuversicht für Europa
Auch Bundespräsident Steinmeier und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer warben in Dresden für Freiheit und Demokratie in Europa. «Europa ist nicht aus Zweifeln und Ängstlichkeit entstanden, Europa ist das Ergebnis von Mut und Zuversicht; und die müssen wir auch jetzt zeigen», sagte Steinmeier. Generationen hätten daran gearbeitet, «dass dieser Kontinent ein Kontinent von Freiheit und Demokratie wird», sagte das deutsche Staatsoberhaupt. «Es liegt an uns, diese Arbeit fortzusetzen», sagte er mit Blick auf die Europawahl am 9. Juni.
Macron berührt von Reise nach Ostdeutschland
Mehrfach schlug Macron, für den eine Rede auf Deutsch bei weitem keine alltägliche Angelegenheit ist, in Dresden persönliche Töne an, berichtete von seinen ersten Berührungen mit Deutschland in der Schule. «Ich lernte die deutsche Sprache und Kultur und tue das immer noch. Ich tue mein Bestes, glauben Sie mir.» Macron schilderte, wie er an einem Austausch zwischen seinem Heimatort Amiens und Dortmund teilnahm. «Ich entdeckte Ihr Land, das damals noch durch die Mauer geteilt war.»
Macron ist der erste französische Präsident, der bei einem offiziellen Besuch nach Ostdeutschland reist. «Heute als erster französischer Präsident seit der Wiedervereinigung hier in Dresden vor Ihnen zu sprechen, ehrt mich (...) ganz besonders. Es berührt mich sehr», sagte der 46-Jährige. «Es ist eine Ehre für mich als Franzose und Freund von Deutschland, aber auch als überzeugter Europäer.» Kurz kam Macron auch darauf zu sprechen, dass er eigentlich bereits vor einem knappen Jahr zum Staatsbesuch in Dresden erwartet worden war, die Reise aber wegen heftiger Unruhen in Frankreich kurzfristig absagen musste. Mit leichtem Witz sagte er dazu nun auf Deutsch: «Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.»
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