Mit ihrem ersten festen Engagement in Mecklenburg-Vorpommern schrieb Romely Pfund Geschichte. 1987 wurde sie mit 32 Jahren Generalmusikdirektorin und Intendantin der Neubrandenburger Philharmonie. Die gebürtige Dresdnerin war damit die erste Frau an der Spitze eines deutschen Profiorchesters und blieb nach dem Mauerfall noch lange Zeit die einzige weibliche Chefdirigentin auch im vereinten Deutschland. Mit nunmehr 68 Jahren kehrt Pfund, die inzwischen als Studienleiterin der Opernbühne in Lübeck tätig ist, nach einer langen und erfolgreichen Dirigentenlaufbahn noch einmal zurück nach Mecklenburg-Vorpommern.
In Schwerin, wo sie bereits 1985 zu Beginn ihrer Karriere am Pult der Mecklenburgischen Staatskapelle gestanden hatte, dirigiert sie in diesem Jahr als erste Frau im Staatstheater das traditionelle Silvesterkonzert mit Beethovens 9. Sinfonie. «Eine sehr reizvolle Aufgabe, mit einem sehr guten und hoch motivierten Orchester», sagt Pfund am Rande einer Orchesterprobe.
Sie hat den Vergleich, dirigierte sie doch unter anderem schon das Gewandhausorchester Leipzig, das Orchester der Komischen Oper Berlin, die Düsseldorfer Symphoniker oder das Rundfunkorchester Berlin. Bei Gastdirigaten stand Pfund, der die Musik als Kind einer Dresdner Künstlerfamilie quasi in die Wiege gelegt worden war, am Pult des Boston Symphony Orchestra, des Bruckner-Orchesters Linz oder des Rundfunksinfonieorchesters Prag.
Auch wenn Frauen heute öfter als Dirigentinnen zu erleben seien, blieben sie in der Rolle einer Chefdirigentin von renommierten Klangkörpern noch immer klar in der Minderheit. «Es ist ein verdammt harter Job, ein Orchester zu leiten. Da gibt es Tausend Sachen zu tun und das Musikalische ist dabei nur ein kleiner Teil», berichtet Pfund aus langjähriger eigener Erfahrung. Das Familienleben müsse oft zurückstehen - und dazu seien Männer eben doch meist eher bereit als Frauen.
Dennoch sei die Entwicklung nicht aufzuhalten, dass auch Frauen künftig öfter die Leitung von Orchestern übernehmen. «Sie müssen es aber mit Haut und Haar wollen», betont Pfund. Als erfolgreiches Beispiel nennt sie die Ukrainerin Oksana Lyniv, die als erste Frau bei den Wagner-Festspielen in Bayreuth am Pult stand und 2022 zur Generalmusikdirektorin des italienischen Teatro Comunale di Bologna berufen wurde. Sie ist damit die erste Frau, die in Italien ein Opernhaus leitet.
Ein Erfolg, bei dem auch Pfund mit Patin stand. «Während meiner Zeit als Generalmusikdirektorin der Bergischen Symphoniker haben wir in Solingen und Remscheid eine bundesweit einzigartige Orchesterakademie aufgebaut, die sich gezielt auch der Förderung junger Dirigentinnen widmet und Stipendien vergibt. Oksana war eine dieser Stipendiatinnen», erzählt Pfund, die selbst Dirigentenkurse unter anderem bei Leonard Bernstein, Seiji Ozawa und Kurt Masur belegte.
Schwerins Theaterintendant Hans-Georg Wegner gibt sich überzeugt davon, dass den Besuchern des Jahresabschlusskonzerts ein besonderes Musikerlebnis bevorsteht. «Am Pult steht eine der erfahrensten deutschen Dirigentinnen, mit größter musikalischer Kompetenz und einer ungeheuren Ausstrahlung», sagt Wegner. Romely Pfund habe mit ihrem Wirken maßgeblich dazu beigetragen, dass weibliche Talente am Dirigentenpult heute selbstbewusst ihre Weg gingen. Beim 4. Sinfoniekonzert der Mecklenburgischen Staatskapelle Ende Januar wird die 26-jährige Anna Handler die Stabführung übernehmen, eine junge Frau, die in der Fachwelt bereits für Aufsehen sorgte.
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