Im Nachlass von Hannes Hegen, dem Erfinder der Comiczeitschrift «Mosaik», sind zwei verschollen geglaubte Heft-Manuskripte aus dem Jahr 1963 gefunden worden. Sie waren nicht veröffentlicht worden, weil der DDR-Verlag Junge Welt die Handlung zunehmend kritisch sah, wie der Mosaik Steinchen für Steinchen Verlag in Berlin mitteilte. Am 16. Mai, dem 100. Geburtstag von Hegen, erscheine nun posthum eine der beiden 62 Jahre alten Episoden mit den drei Kobolden Dig, Dag und Digedag.
Zu viel Bürgertum, zu wenig Arbeiterklasse
Das «Mosaik»-Heft mit dem Titel «Duell an der Newa» gehört zur sogenannten Erfinderserie. In dieser trafen die knollennasigen Hauptfiguren auf verschiedene Erfinder von der Antike bis ins späte 19. Jahrhundert. Zuletzt ging es um den deutschen U-Boot-Erfinder Wilhelm Bauer. «Dem Verlag Junge Welt hat es zunehmend missfallen, dass die Erfinder eher dem gehobenen Bürgertum entstammten und nicht die Leistungen der Arbeiterklasse verkörperten», sagte Verlagssprecher Robert Löffler der dpa.
Die Geschichten seien zudem als zu klamaukig bezeichnet worden. Es sei mehr Ernsthaftigkeit und ein stärkerer Bezug zu den Errungenschaften der Arbeiterbewegung eingefordert worden. «Es wurde im Jahr 1963 massiv Druck auf Hannes Hegen ausgeübt, sodass dieser sich schließlich veranlasst sah, das Konzept zu ändern und mit der Runkel-Serie einen mittelalterlichen Comic-Roman auf den Spuren Marco Polos auf den Weg zu bringen. Damit war es ihm gut möglich, die tagespolitischen Vorgaben der Verlagsleitung zu umschiffen», sagte Löffler.
Die Erfinderserie wurde dann 1964 vorzeitig abgebrochen. Bereits fertige Text-Manuskripte, Exposés und Figuren-Entwürfe wurden im Archiv von Hannes Hegen bewahrt. Er hat zudem ein riesiges Archiv an Büchern hinterlassen, die noch immer für die Recherche etwa zu historischen Gebäuden und Uniformen nützlich sind.
Die zwei ehemaligen Mosaik-Zeichner Ulf S. Graupner und Steffen Jähde haben die Episode «Duell an der Newa» nun passend zu den Text-Manuskripten aus dem Nachlass von Hegen umgesetzt. «Gezeichnet wurde traditionell per Hand», erklärte Löffler. Die Zeichnungen wurden aber dann digital zusammengefügt und koloriert. Das Heft erscheint als Mai-Special, also zusätzlich zur regulären «Mosaik»-Ausgabe.
Das «Mosaik» erschien erstmals im Dezember 1955 in Ost-Berlin. Es war bis zum Mauerfall immer sofort vergriffen. Der Grund: Hegens drei pfiffige Helden verbreiteten keine sozialistische Propaganda, sondern führten den Leser rund um die Welt und in die unterschiedlichsten Zeitepochen - etwa ins antike Rom.
Älteste deutsche Comiczeitschrift
Im Streit mit dem FDJ-Verlag Junge Welt stieg Hegen schließlich 1975 ganz aus und zog sich ins Privatleben zurück. Dies war das Ende der Digedags - nach 229 Heften. Beim Besuch einer großen Digedags-Schau im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig berichtete Hegen 2012, bei seinem Abschied vom «Mosaik» hätten noch zahlreiche Pläne für weitere Abenteuer in der Schublade gelegen.
Aber für das «Mosaik» wurden drei neue Helden geschaffen - die Abrafaxe. Abrax, Brabax und Califax sind noch immer einmal im Monat unterwegs. Im Dezemberheft werden sie 50 Jahre alt. Hegen starb im Alter von 89 Jahren im November 2014. Das «Mosaik» ist unter den aktuell erscheinenden deutschen Comiczeitschriften die Älteste.
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