Die Spätfröste im März, April und Mai haben auch die Äcker von Sachsens Landwirten getroffen. Bei den Winterbeständen, die in ihrer Entwicklung gegenüber dem Vorjahresstand drei Wochen voraus waren, sorgten sie für noch unkalkulierbare Schäden, wie der Landesbauernverband am Freitag zum Ernteauftakt in Prausitz im Landkreis Meißen mitteilte. Nässe und Spätfröste machten Aussagen zu den Erwartungen insgesamt schwierig. Dank überdurchschnittlicher Niederschläge im Winter seien die Landwirte mit Optimismus ins Frühjahr gegangen, nun aber erschwerten mit Wasser gesättigte Böden die Aussaat der Sommerkulturen.
«Wir können die Folgen noch nicht einschätzen», sagte Verbandspräsident Torsten Krawczyk beim Ernteauftakt in Prausitz. Die Gerste werde betroffen sein, einige Landwirte hätten vermehrt «taube Ähren» in ihrem Getreide gefunden. Der Weizen indes könnte es «relativ gut weggesteckt» haben und der Raps «noch überraschen». Wie es bei Mais, Kartoffeln und Rüben aussähe, sei unklar. Insgesamt gehe Krawczyk aber von einer durchschnittlichen Ernte aus. Wie sich das Wetter auf Ertrag und Qualität der Sommer- und Winterkulturen ausgewirkt habe, sei offen.
Trotz schneller Reife konnte die Ernte nicht so früh beginnen, die Wintergerste sei in den nassen und kühlen Junitagen nur langsam abgereift, so der Verband.
Größere Sorgen machten den Landwirten die kontinuierlich fallenden Marktpreise in den vergangenen Wochen. «Eine Stabilisierung ist nicht in Sicht», sagte der Verbandspräsident. Viele Lager seien noch gut gefüllt mit nicht verkauftem Erntegut des Vorjahres, das mitunter nicht mehr zur Lebensmittelverarbeitung verwendet werden könne. Die Lage spitze sich weiter zu, und der nötige Sofort-Verkauf ihrer Druschfrüchte komme den Betrieben teuer zu stehen. Für die Bauern sei die Ernte erst abgeschlossen, «wenn das Geld auf dem Konto ist». Für die nächsten Wochen hofften sie, weiter von Starkregen und Hagel verschont zu bleiben.
Agrar-Staatssekretärin: Sachsens Landwirtschaft «weitgehend stabil»
Sachsens Landwirtschaft sei «weitgehend stabil», sagte Agrar-Staatssekretärin Gisela Reetz unter Verweis auf den Agrarbericht 2024. Demnach habe sich die Wirtschaftlichkeit der Betriebe mit Ausnahme der ökologisch arbeitenden deutlich verbessert, vor allem aufgrund gestiegener Erlöse für Milch, Getreide und Raps. Inzwischen würden die Erzeugerpreise aber wieder stark sinken, bei einem Anstieg der Betriebs- und Personalkosten.
Laut Reetz liegt die Zahl der Betriebe landesweit unverändert bei 6500. 933 Betriebe bewirtschafteten fast zehn Prozent der landwirtschaftlichen Fläche des Freistaates ökologisch. 2023 wurden gut 2,6 Millionen Tonnen Getreide geerntet, darunter 1,45 Millionen Tonnen Weizen und knapp 861 000 Tonnen Gerste. Erfreulich ist laut Reetz die seit drei Jahren steigende Zahl der Auszubildenden in Grünen Berufen, 2023 seien es mehr als 4000 gewesen. Das Ernährungsgewerbe steigerte seinen Umsatz auf 7,8 Milliarden Euro.
Mit Blick auf die Klimaveränderungen plädierte Krawczyk für eine Risikoausgleichsrücklage. Die Betriebe sollten befähigt werden, sich über Steuer- oder Versicherungsmodelle abzusichern. Neben dem Ausgleich von wirtschaftlichen Defiziten sei Vorbereitung nötig, durch Wasserrückhalt in der Fläche oder Erosionsschutz, ergänzte Reetz.
Sachsens Landwirte bearbeiten nach Verbandsangaben aktuell rund 702 846 Hektar Ackerland. Gut die Hälfte entfalle auf den Getreideanbau, vornehmlich Weizen, Gerste und Roggen, aber auch Körnermais.
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