Die rechte Gewalt in Sachsen hat vergangenes Jahr nach Zahlen der Opferberatungsstellen flächendeckend zugenommen. Demnach wurden 328 Angriffe gezählt, ein Plus von rund einem Drittel (32 Prozent) im Vergleich zu 2023.
Davon waren 446 Menschen direkt betroffen, wie der Verein RAA Sachsen informierte. Das Gros der Taten sei rassistisch motiviert gewesen, aber auch Wahlkämpfe sowie Veranstaltungen zum Christopher Street Day waren demnach häufig Angriffsflächen für rechte Gewalttäter.
Die Experten sprechen von einer «zunehmend gewalttätigen rechten Raumnahme» seit 2022. Es gebe einen Zuwachs an jungen Neonazis und diese träten enthemmter sowie aggressiver auf. Insbesondere durch junge Kameradschaften und Kleinstparteien würden neonazistische Strukturen reorganisiert. Diese Gruppen rekrutierten immer mehr junge Menschen, gründeten neue Stützpunkte und zeigten verstärkt öffentlich Präsenz.
Leipzig und Landkreis Görlitz als Brennpunkte
Insgesamt wurden landesweit wieder mehr Angriffe gezählt als 2018. Damals sorgten rassistische Ausschreitungen in Chemnitz für einen Anstieg. Gemessen an der Einwohnerzahl gab es den Zahlen nach 2024 die häufigsten Angriffe in Leipzig, dem Landkreis Görlitz sowie den Städten Chemnitz und Dresden; die wenigsten wurden im Vogtland und dem Erzgebirge gezählt.
Landesweit höhere Fallzahlen gab es zuletzt 2015 und 2016. Damals entlud sich rechte Gewalt in vielen Fällen gegen die Aufnahme von Flüchtlingen.
«Der erneute deutliche Anstieg rechtsmotivierter Gewalt in Sachsen ist besorgniserregend und das politische Klima, das sich in Debatten und Wahlergebnissen weiter nach rechts verschoben hat, nicht minder», betonte RAA-Geschäftsführerin Andrea Hübler.
Köpping: «Angriff auf das Herz der Demokratie»
Von einem «schmerzhaften Trend» sprach Sozialministerin Petra Köpping (SPD). «Fast jeden Tag gibt es rassistische Gewalt in Sachsen. Insbesondere die Angriffe auf Wahlkampfhelferinnen und Wahlkampfhelfer sowie politische Mandatsträgerinnen und Mandatsträger erschüttern mich und sind ein gezielter Angriff auf das Herz der Demokratie.»
Überregional für Aufsehen hatte vergangenes Jahr der Angriff auf den sächsischen SPD-Europapolitiker Matthias Ecke gesorgt. Er war Anfang Mai beim Plakatieren für die Europawahl von Schlägern attackiert worden.
Die Statistik der Opferberater zeige, dass es bei rechtsextremer Gewalt ein großes Dunkelfeld gebe und viele Fälle von der Polizei nicht erfasst würden, konstatierte die Linke-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel. «So erfasste die RAA 205 Körperverletzungen, fast doppelt so viele wie in der offiziellen Polizei-Statistik verzeichnet sind.» Nagel warnte vor schwerwiegenden Folgen im Falle von Kürzungen bei Präventionsangeboten und zivilgesellschaftlichen Projekten im neuen Doppelhaushalt des Landes.
Nicht alle Angriffe werden der Polizei angezeigt
Die Statistik des RAA Sachsen umfasst auch Fälle, die nicht bei der Polizei angezeigt werden - etwa weil die Opfer eine diskriminierende Behandlung von Behörden fürchten. Von den 328 den Opferberatern bekannten Fällen seien 273 polizeibekannt, erklärte Hübler. In der Polizeistatistik seien aber nur 169 als politisch motivierte Kriminalität von rechts gewertet. Wie es genau zu dieser Diskrepanz kommt, vermochte sie nicht zu sagen.
Bei antisemitischen Straftaten werde seitens der Opferberatung nicht unterschieden, ob die Täter aus rechtsextremer oder islamistischer Gesinnung handeln, hieß es zudem auf Nachfrage. Zwischen beidem gebe es eine «Wesensverwandtschaft», erklärte Hübler. «Für uns ist ausschlaggebend das Motiv, das aus der Tat spricht, nicht zwangsläufig die Selbstverortung des Täters oder der Täterin.»
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