Die Linken im Sächsischen Landtag wollen das Bergrecht zugunsten des Naturschutzes modernisieren. Sachsen soll sich dafür einsetzen, dass die Rohstoffnutzung keinen Vorrang mehr vor dem Umweltschutz genießt, sagte die Abgeordnete Antonia Mertsching am Donnerstag am Rande einer Anhörung im Landtag. Genehmigungsverfahren sollen transparenter und die Klagerechte betroffener Dritter umfangreicher werden. Zugleich beantragte die Linksfraktion, Wald-, Quell- und Moorgebiete vor den Folgen des Kiesabbaus bei Ottendorf-Okrilla und Würschnitz (Landkreis Bautzen) zu schützen.
Man wolle Bergbau nicht verhindern, aber die einseitige Berücksichtigung wirtschaftlicher Interessen um gleichberechtigte Interessen von Anwohnern und Umwelt erweitern, sagte Mertsching. Bisher würden allein die Wirtschaftlichkeitsberechnungen von Unternehmen darüber entscheiden, ob Rohstoffabbau stattfinde oder nicht. «Beim Rohstoffabbau bereichern sich einzelne auf Kosten der Allgemeinheit.» Dabei bedeute nachhaltige Entwicklung eigentlich, mit dem auszukommen, was vorhanden ist.
Die Linken fordern unter anderem eine Beteiligung der Öffentlichkeit schon vor dem Planungsverfahren. Es müsse vorab eine Gesamtabwägung stattfinden, hieß es. Anwohner und vom Bergbau betroffene Gemeinden müssten einen finanziellen Beteiligungsanspruch haben, damit sie bei einem Abbau mitverdienen. Außerdem schwebt den Linken eine Beweislastumkehr vor: Der Bergbautreibende solle den Beweis erbringen, dass durch sein Verhalten keine Schäden entstehen. Bisher gelte für sie die Unschuldsvermutung.
«Das Bundesberggesetz stellt das Interesse von Unternehmen, Rohstoffe zu nutzen, über den Umwelt- und Naturschutz. Genehmigungsverfahren sind intransparent, Klagerechte ungenügend und die Öffentlichkeit wird viel zu wenig beteiligt», argumentierte Mertsching. Bevor Vorkommen abgebaut werden, seien Stoffe wiederzuverwerten. Wer ein Abbauvorhaben plane, soll zunächst den Bedarf nachweisen.
Als Beleg für den Handlungsbedarf verwies Mertsching auf den Kiesabbau im sogenannten Heidebogen bei Ottendorf-Okrilla. Dort hatte die Polizei im Februar 2023 eine Waldbesetzung von Umweltaktivisten mit Zwang beendet. Das verantwortliche Unternehmen nehme enorme Flächen in Anspruch und greife in hochsensible ökologische Mechanismen ein, erklärte Mertsching. Die Verkippung von Fremdmaterial im Tagebau Laußnitz I bringe ökotoxische Stoffe bis ins Grundwasser ein, was wertvolle Moorschutzgebiete gefährde. In der anschließenden Anhörung vertraten Gutachter dazu unterschiedliche Ansichten.
Elisabeth Lesche von der Bürgerinitiative «Würschnitz contra Kiesabbau» stützte die Argumentation Mertschings. «Das Bergrecht stellt Kapitalinteressen über die Interessen der lokalen Bevölkerung. Die Kieslobby behauptet Versorgungsmängel und Gemeinbedarf - ohne Belege. Negative Folgen werden reflexartig geleugnet.» Der Kiesabbau in der Nähe von Mooren schade der Biodiversität und dem Artenschutz. Deutschlands größte Population an Kreuzottern sei seit Beginn des verstärkten Abbaus im Bereich Würschnitz deutlich kleiner geworden.
Lesche zufolge verändert der Kiesabbau nicht nur die landschaftliche Struktur, sondern beeinträchtigt auch den Wasserhaushalt. Mit ihrer porösen Struktur könnten die sogenannten Kiesrücken große Mengen an Wasser speichern und zudem reinigen. Nach dem Gesetz dürften Grundwasser, Moore und Naturschutzgebiete nicht gefährdet werden. Dennoch würden Warnungen ungehört bleiben und Behörden nicht eingreifen.
Am Ende wurde Lesche emotional: «Wir leben heute schon in einer Landschaft, die weitaus ärmer ist als die Natur unserer Kindheit. Die vorangegangenen Generationen haben eine Vielfalt erlebt, die sich unsere Nachfahren gar nicht werden vorstellen können. (...) Im Endeffekt verwandelt unser aller Tun oder auch Nichttun - also Zuschauen - einen effizienten und resilienten Planeten in ein trostloses Schlachtfeld, das wir unseren Nachfahren hinterlassen.»
Copyright 2024, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten