Ein Kandidat der AfD hat erstmals eine Oberbürgermeisterwahl in Deutschland gewonnen. Tim Lochner (53) setzte sich am Sonntag im sächsischen Pirna im zweiten Wahlgang gegen zwei Kontrahenten von der CDU und den Freien Wählern durch. Lochner selbst ist parteilos, trat aber für die AfD an. Er kam nach dem vorläufigen Ergebnis auf 38,5 Prozent der Stimmen, wie die Stadt am Abend auf ihrer Internetseite mitteilte. Dahinter rangieren Kathrin Dollinger-Knuth (CDU) mit 31,4 Prozent und der parteilose Ralf Thiele mit 30,1 Prozent. Er ging für die Freien Wähler ins Rennen. Auch Lochner und Thiele waren früher CDU-Mitglieder. Die Wahlbeteiligung lag bei 53,8 Prozent - etwas höher als im ersten Wahlgang (50,4).
Lochner bedankte sich nach der Wahl bei seinen Unterstützern und erklärte am Sonntagabend: «Ich verspreche, ich ziehe die sieben Jahre durch.» Die Dinge, die auf ihn zukämen, wolle er mit «Ruhe und Gelassenheit» angehen.
Lochner - von Beruf Tischler und Restaurator - hatte schon im ersten Wahlgang am 26. November dominiert. Er kam damals auf 32,9 Prozent der Stimmen und lag vor Thiele (23,2 Prozent) und Dollinger-Knuth (20,3). Der parteilose Kandidat André Liebscher (13,7) und Ralf Wätzig (SPD, von den Grüne unterstützt/knapp 10 Prozent) traten im zweiten Wahlgang nicht mehr an und unterstützten die CDU-Kandidatin Dollinger-Knuth. Lochner wird Nachfolger von Klaus-Peter Hanke (parteilos) der nicht mehr zur Oberbürgermeisterwahl angetreten war.
Vor Pirna hatten AfD-Kandidaten schon zwei wichtige kommunalpolitische Ämter in Deutschland geholt. Im Juni gewann die AfD erstmals eine Landratswahl - mit Robert Sesselmann im Landkreis Sonneberg in Thüringen. Im August wurde Hannes Loth zum bundesweit ersten Bürgermeister einer deutschen Gemeinde gewählt - in Raguhn-Jeßnitz (Sachsen-Anhalt).
Das Landesamt für Verfassungsschutz in Sachsen hatte die sächsische AfD kürzlich als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft. Die Frage, ob er nach dieser Einstufung ein Problem damit habe, für die AfD ins Rathaus zu ziehen, verneinte Lochner nach seiner Wahl am Sonntagabend. Angesprochen auf seine früheren Äußerungen zu einem «Bevölkerungsaustausch» - eine in rechten Kreisen verbreitete Verschwörungserzählung - betonte Lochner, dass er dies als Privatperson gesagt habe. Er fügte hinzu: «Wenn wir einen Ausländeranteil in gewissen Stadtteilen haben von 38 Prozent an Grundschulen und Kitas, dann ist das für mich schon ein Austausch der einheimischen Bevölkerung.»
Lochner sitzt seit Jahren im Stadtrat der rund 40.000 Einwohner zählenden Stadt in der Sächsischen Schweiz. Er war bereits 2017 bei der OB-Wahl in Pirna angetreten, hatte seinerzeit aber mit 32,9 Prozent der Stimmen gegen Amtsinhaber Hanke das Nachsehen. Der Kontakt zur AfD sei über die Stadtratsfraktion zustande gekommen, sagte der Tischlermeister auf Anfrage vor seiner Wahl zum OB. «Man ist auf mich zugekommen, es hat gepasst, und man hat mich einstimmig aufgestellt». Eine Mitgliedschaft in der AfD schließt Lochner aber aus. «Ich war zuvor Mitglied bei der CDU habe das Parteibuch aber zurückgegeben. Jetzt will ich kein Parteimitglied mehr sein.»
AfD-Landeschef Jörg Urban sprach von einer Steilvorlage für die Wahlen im kommenden Jahr. Bei der Landtagswahl im September wolle die AfD an die 40-Prozent-Marke kommen, so Urban. Die Oberbürgermeisterwahl in Pirna zeige, «dass es geht».
Lochner will nach eigenem Bekunden zunächst alle Mitarbeiter im Rathaus kennenlernen. «Denn zu einer vertrauensvollen, loyalen Zusammenarbeit gehört, dass diese wissen, was sie von mir zu erwarten haben und umgekehrt ich von ihnen», sagte Lochner der Deutschen Presse-Agentur. Zudem liege ihm eine bürgernahe und effiziente Verwaltung sehr am Herzen. «Deshalb werde ich prüfen, inwiefern die erheblichen Personalaufstockungen im Rathaus von einst 199 auf aktuell 240 Mitarbeiter einen messbaren Beitrag dazu liefern.» Er wolle einen «transparenten, offenen Stil mit klarer, ergebnisorientierter Führung pflegen».
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