Die Bundespolizei setzt nach der Entscheidung von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) feste Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz ein - doch es gibt Kritik aus den eigenen Reihen. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zeigte sich unzufrieden mit der Umsetzung. «Teilweise sind grenzüberschreitende Straßen besetzt worden, dies führte auch schon zu ersten Staus», sagte der GdP-Vorsitzende für die Bundespolizei, Andreas Roßkopf, am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Die Gewerkschaft habe sich nach Faesers Ankündigung auf «flexible, mobile und lageangepasste Kontrollen» eingestellt und nicht auf «stumpfe stationäre feste Kontrollstellen wie an der österreichischen Grenze». Die Gewerkschaft bemängelte auch fehlende Ausstattung.
Faeser hatte für die Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz am Montag für zunächst zehn Tage stationäre Kontrollen bei der EU-Kommission angemeldet. Kurz darauf gab es erste Kontrollen direkt an der Grenze, allerdings nicht mit Grenzhäuschen oder Schlagbaum. Die Notifizierung kann laut Ministerium für zwei Monate verlängert werden. In Sicherheitskreisen wird damit gerechnet, dass die Kontrollen später auch für einen längeren Zeitraum angemeldet werden. Faeser will irreguläre Einreisen und Schleuserkriminalität bekämpfen.
Von Anfang Januar bis Anfang Oktober zählte die Bundespolizei laut Innenministerium etwa 98.000 unerlaubte Einreisen nach Deutschland. Damit sind 2023 schon jetzt mehr Menschen ohne Erlaubnis nach Deutschland gekommen als im gesamten vergangenen Jahr mit 91.986 Menschen.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) wertete die Einführung von Kontrollen an der Grenze zur Schweiz positiv. «Das ist ein Baustein, der dazugehört», sagte er in Stuttgart. Man müsse sich eher mobile Kommandos vorstellen, die die Kontrollen je nach Situation durchführten. An der Grenze gebe es insbesondere Probleme mit dem Zugang unbegleiteter Minderjähriger.
Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) forderte, dass die festen Grenzkontrollen so lange wie nötig bleiben. «Ob dafür zwei Monate ausreichen, wie von Frau Faeser angekündigt, sehe ich skeptisch. Darüber werden wir noch reden müssen», kritisierte er. Stübgen dringt seit 2022 auf stationäre Kontrollen. CDU-Landtagsfraktionschef Jan Redmann sagte: «Was wir keinesfalls hinnehmen werden ist, dass die Kontrollen nur wenige Tage stattfinden.»
Die Güterverkehrsbranche sieht die festen Kontrollen an der Grenze zu Polen kritisch. Die Grenze weise «ein hohes Verkehrsaufkommen sowohl durch gewerbliche Transporte als auch durch Pendlerverkehre auf», sagte eine Sprecherin des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Von den stationären Kontrollen an der Grenze zu Österreich seit 2015 sei bekannt, dass sie zu zähflüssigem Verkehr, Staus und Unfällen auf Autobahnen führen könnten. Laut Faeser sollen die Kontrollen sich «so wenig wie möglich auf den Alltag von Pendlern, auf den Handel und auf den Reiseverkehr auswirken».
In Brandenburg griff die Bundespolizei nach der Wiedereinführung der Grenzkontrollen in Frankfurt (Oder) an der Grenze zu Polen mindestens 27 unerlaubt einreisende Menschen auf. Über die Stadtbrücke und die Autobahn 12 seien 25 Männer und zwei Frauen aus Bangladesch, China, Indien und Syrien eingereist oder eingeschleust worden. Im Süden Brandenburgs griff die Polizei in der Nacht zum Dienstag fünf iranische Staatsangehörige auf. An der A 17 in Sachsen wurde am Montag laut Bundespolizei ein Syrer aufgegriffen, der sieben Landsleute in seinem Fahrzeug nach Deutschland geschleust haben soll. Außerdem griff die Bundespolizei zehn Menschen auf, die am Rand der A 17 zu Fuß in Richtung Kontrollstelle unterwegs waren. In Mecklenburg-Vorpommern überprüft die Bundespolizei seit Montag am Grenzübergang Pomellen an der A 11 den Einreiseverkehr aus Polen durchgängig mit einer festen Kontrolle. Sie begann auch an der Grenze zwischen Bayern und Tschechien mit stationären Kontrollen.
Auch die Schweiz behält sich wegen der Migrationslage in Europa weitere Maßnahmen an den Grenzen vor. Das sagte der Sprecher des Staatssekretariats für Migration in Bern am Dienstag auf Anfrage.
Die Bundesinnenministerin hatte sich lange dagegen gesträubt, feste Kontrollen bei der EU anzumelden und vielmehr auf punktuelle Prüfungen an den Grenzen gesetzt. An den Binnengrenzen im sogenannten Schengen-Raum in Europa sind Zurückweisungen von Migranten nur zulässig, wenn bei der EU vorher die vorübergehende Wiedereinführung von Grenzkontrollen angemeldet wurde. Zurückweisungen gibt es aber nur relativ selten, etwa wenn jemand eine Einreisesperre hat oder keinen Asylantrag stellt.
Copyright 2023, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten