loading

Nachrichten werden geladen...

Dresden am 13. Februar 1945 - ein Kriegsverbrechen? [Gastkommentar]

Symbolbild Dresden 1945 / pixabay ArtTower
Symbolbild Dresden 1945 / pixabay ArtTower

Gastkolumne: Torsten Küllig aus Dresden über den Bombenangriff auf Dresden 1945 und die Mängel in der heutigen Erinnerungskultur.

Es geschah in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar, ein Faschingsdienstag im Kriegsjahr 45. Die Mütter, die mit ihren Kindern die letzte Veranstaltung im einzigartigen Sarrasani-Zirkus besucht hatten, waren sicherlich schon zu Hause, als gegen 21:45 Uhr die Sirenen heulten und eine viertel Stunde später 773 britische Bomber in zwei Angriffswellen zunächst gewaltige Mengen an Sprengbomben auf die 630.000 Einwohner zählende und bis dato nahezu unbeschädigte Stadt abwarfen. Durch die Zerstörung der Dächer und Fenster konnten die anschließend abgeworfenen Brandbomben eine größere Wirkung entfalten. Ihr Feuersturm zerstörte rund 80.000 Wohnungen, und ihre Hitzeeinwirkung deformierte sämtliches Glas in der Innenstadt. Dem britischen Nachtangriff auf die ungeschützte Stadt folgte am Tag die Flächenbombardierung durch 311 amerikanische Bomber. Die bis zur Unkenntlichkeit verkohlten Toten lagen noch Tage auf der Straße oder in den Trümmern, ehe die Leichenberge zur Verhinderung von Seuchen verbrannt werden konnten.

Die Alliierten hatten unter Leitung von Luftmarschall Sir Arthur T. Harris die Bombardierung von deutschen Innenstädten über die Kriegsjahre perfektioniert, wenn nicht sogar industrialisiert. Ja, es stimmt, der Krieg kam in das Land zurück, das den 2. Weltkrieg begonnen hatte, aber ist Unrecht mit Unrecht zu begleichen nicht weiterhin Unrecht? Und warum hört man diese Binse nicht von verantwortlichen Politikern? Was will man von einem Dresdner Oberbürgermeister erwarten, der seiner eigenen Stadt 2017 attestierte: „Dresden war keine unschuldige Stadt…“ Können Städte überhaupt schuldig sein? Und wie steht es mit den Zivilisten, den Müttern mit ihren Kindern, den Alten und den vielen Flüchtlingen, die sich hauptsächlich im Zielgebiet aufhielten? Tragen diese Menschen Schuld? Woran, etwa nichts gegen das NS-Regime unternommen oder einfach nur in deutschen Innenstädten gelebt zu haben?

Moral der Zivilbevölkerung brechen

Tatsache ist, neben kleineren Rüstungsbetrieben existierten mit der Zeiß-Ikon AG, der Paul Märksch AG oder den Flugzeugwerken in Dresden-Klotzsche zwar auch größere Industrieanlagen. Allerdings waren diese Angriffsziele angesichts mangelnden Rohstoffs und zunehmender Desorganisation der militärischen Nachschubwege Anfang 1945 keine kriegswichtigen Anlagen mehr und standen auch gar nicht im Fokus der gezielter Flächenbombardements der Alliierten gegen die deutsche Zivilbevölkerung. Das Ziel war, deren Moral zu brechen- morale bombing, wie es die Royal Airforce (RAF) selber nannte.

Diesen Fragen auf den Grund zu gehen und damit den Opfern ihre Würde zugestehen, das würde ich mir von der Stadtpolitik und den Historikern wünschen. Aber das Gegenteil ist der Fall: Jedes Jahr lassen sich die Verantwortlichen etwas anderes einfallen, damit dieser Schicksalstag für Dresden immer aufs Neue in den Fokus der politisch Extremen gerät und somit das Gedenken an die mehren 10.000 Toten geschändet wird.

Unglücklich agiert

So ließ Stadtverwaltung im vergangenen Jahr die Gedenkinschrift auf dem Altmarkt, wo fast 7.000 Leichname öffentlich verbrannt wurden, in einer Hauruck-Aktion einfach so abflexen- still und heimlich… Man habe aus kommunikativer Sicht äußerst unglücklich agiert, räumte das Stadtoberhaupt zu diesem Skandal später ein.

In diesem Jahr würde ein nicht nur ästhetisch fragwürdig orangefarbener Splitter auf der Dresden Stehle am Rondell auf dem Heidefriedhof angebracht, der dem Betrachter den 1965 eingeweihten Ehrenhain und die Rolle Dresden in der NS-Zeit entsprechend einordnet. Der letzte Satz hat es dabei besonders in sich:

„Dresden wird in dieser Aufzählung als Opfer des Krieges dargestellt und die Zerstörung der Stadt mit nationalsozialistischen Kriegsverbrechen gleichgesetzt.“

An einem Massengrab spricht man also nicht nur technokratisch lediglich von der „Zerstörung der Stadt“, nein man hält es seitens der verantwortlichen Akteure offensichtlich nicht einmal für nötig, darauf hinzuweisen, dass mehr als 17.000 sterbliche Überreste auf dem Heidefriedhof bestattet sind. Mit dieser Inschrift werden die Opfer des 13. Februars quasi entmenschlicht. Sie werden von Ihren eigenen Nachfahren zu Opfern zweiter Klasse degradiert.

Man fragt sich geradezu, was plant die Stadt eigentlich als Nächstes, um den erinnerungspolitischen Keil tiefer in die Dresdner Stadtgesellschaft zu treiben?

Die Exhumierung des Heidefriedhofes?

Es nutzt den Rändern

Die Bombardierung einer (Innen)Stadt - auch wenn sie eine Stadt des angreifenden Staates ist - stellt ein Bruch des Kriegsvölkerrechtes dar. Dieses Flächenbombardements hat keine Schlacht um die Stadt entschieden und auch das Kriegsende nicht beschleunigt, aber mehreren 10.000 Zivilisten das Leben gekostet. Jörg Friedrich beschrieb die Bombardierungen vieler deutscher Städte 2002 aus der Sicht der Betroffenen und als schon vor den letzten Kriegsmonaten militärisch sinnlose, beabsichtigte Massenvernichtung.

Nach heutigen Maßstäben war die Bombardierung Dresdens ein Kriegsverbrechen, zumindest der Angriff der Royal Air Force auf die zivile Infrastruktur und Wohnhäuser.

Ich glaube, den Bomberbesatzungen war ihr Handeln damals klarer, als den lokalen Politikern und Historikern von heute. So lange zukünftig die Politik sich dazu nicht deutlich bekennt, dafür jedes Jahr eine neue Geschichtskosmetik über diesen schicksalshaften Tag aufträgt, werden sich immer mehr Dresdner Bürger von diesen offiziellen Narrativen des Gedenktages verabschieden.

Vielmehr ist zu befürchten, dass dadurch die Ränder den 13. Februar weiter für sich instrumentalisieren werden.

Damit sterben die Bombenopfer ein zweites Mal…


Die Gastkolumne ist die persönliche Meinung des Autors und spiegelt nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider. Diskussionen dazu sind herzlich willkommen unter der Mailadresse: elbland@diesachsen.com.

Unterstützt von:

Privatbrauerei Schwerter Meißen GmbH