Die kleine Gemeinde Gohrisch in der Sächsischen Schweiz hat ihren Ruf als gute Adresse der großen Musikwelt verteidigt: Zur 15. Ausgabe der Internationalen Schostakowitsch Tage strömten jetzt mehr als 3500 Zuschauer aus nah und fern in das idyllisch gelegene Örtchen, um das Schaffen des Komponisten Dmitri Schostakowitsch (1906-1975) zu ehren und Bezüge zu seinen Vorbildern und Nachfolgern kennenzulernen. Tobias Niederschlag, Künstlerischer Leiter des Festivals, zeigte sich mit der Resonanz überaus zufrieden und sprach am Sonntag von einem Rekordergebnis.
Nach dem «Vorspiel» der Staatskapelle Dresden am Mittwoch mit Vitali Alekseenok am Pult und einer Aufführung von Schostakowitschs «Leningrader Sinfonie» im Dresdner Kulturpalast bot das Festival ab Donnerstag in Gohrisch sieben Konzerte und eine Filmaufführung. Dafür waren mehrere Stars der Musikszene angereist, darunter der Geiger Gidon Kremer, die Cellistin Marie-Elisabeth Hecker, der Pianist Martin Helmchen und der Sänger Matthias Goerne. Das Publikum ließ sich auch von hochsommerlichen Temperaturen nicht abschrecken und strömte in Scharen in die Konzertscheune von Gohrisch.
Nicht anders war es beim Finale am Sonntag. Schon am Vormittag kam es zum Gipfeltreffen der Komponisten, die in diesem Jahr in Gohrisch den Ton angaben - neben Schostakowitsch Modest Mussorgsky (1839-1881) und der 1953 geborene Alexander Raskatov, der selbst in die Sächsische Schweiz gereist war. Nach seinem «Bel canto» für Viola, Streichorchester und Tempelgong erklang die Uraufführung von Mussorgskys «Liedern und Tänzen des Todes» in einer Bearbeitung für Bass, Streichorchester und Schlagzeug. Der Grieche Alexandros Stavrakakis löste mit seiner Stimme und gefühlvollen Interpretation Jubel aus.
Im zweiten Teil folgte nach Schostakowitschs «Concertino op. 94» in einer Bearbeitung für Klavier und Kammerorchester von und mit der Pianistin Julia Zilberquit seine Musik zum Theaterstück «Die Wanze» von Wladimir Majakowski. Die Zauberkomödie erzählt von einem früheren Revolutionär, der zum Spießbürger mutiert ist. Auf seiner Hochzeit bricht ein Brand aus. Der Mann friert genau wie eine Wanze in seiner Kleidung wegen klirrender Kälte bei den Löscharbeiten ein und taut erst Jahrzehnte später wieder auf - als Relikt einer inzwischen untergegangenen Gesellschaft kommt er in einen Zoo. Auch dafür gab es tosenden Applaus.
«Wir haben wunderbare Konzerte erlebt - mit einem Publikumszuspruch, der alle unseren bisherigen Erfahrungen übertraf. Mein Dank gilt daher den Schostakowitsch-Freunden aus dem In- und Ausland, die den Weg in die Sächsische Schweiz gefunden haben, ebenso aber auch allen Künstlern, die unserem Ruf in die Konzertscheune gefolgt sind», erklärte Niederschlag. Die Schostakowitsch Tage hätten einmal mehr unter Beweis gestellt, dass sie ein Ort für das Besondere sind. Im kommenden Jahr werde man vom 26. bis 29. Juni an den 50. Todestag von Schostakowitsch erinnern.
Schostakowitsch war zweimal in Gohrisch zu Gast - in einem Gästehaus der DDR-Regierung. Im Sommer 1960 komponierte er hier sein 8. Streichquartett. Es gilt als eines der zentralen Kammermusikwerke des 20. Jahrhunderts und wie seine 10. Symphonie als persönliche Abrechnung mit Stalin.
Schostakowitsch zählt zu den bekanntesten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Er hinterließ ein umfangreiches und vielfältiges Gesamtwerk mit 15 Sinfonien, Instrumentalkonzerten, Opern, Filmmusiken, Vokalwerken, Klavier- und Kammermusik. Sein Schaffen ist bis heute fester Bestandteil im weltweiten Konzertbetrieb.
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