Gott, der Herr über Leben und Tod, hat unseren Heiligen Vater, Papst Franziskus, in sein Reich gerufen. Das teilte das Bistum Dresden-Meißen am Montag mit. Im Gedenken an ihn läuteten unmittelbar nach Eintreffen der Todesnachricht die Glocken der Kathedrale des Bistums und riefen zum Gebet für den Pontifex auf. Dazu sind ab sofort auch alle übrigen Kirchen im Bistum eingeladen. Bischof Heinrich Timmerevers würdigt den Dienst des Universalhirten der Kirche in seinem Nachruf und bittet die Gläubigen um das Gebet für den Verstorbenen. Ein Bild des Pontifex ist in der Kathedrale aufgestellt. In Kürze wird bekanntgegeben, zu welchem Termin alle Gläubigen sehr herzlich zum Pontfikalrequiem für den Verstorbenen in Dresden eingeladen sind.
Zum Tod des Heiligen Vaters erklärt Bischof Heinrich Timmerevers:
Mit Papst Franziskus verliert die Kirche einen besonnenen Reformer. Während vielleicht deutsche und mitteleuropäische Hoffnungen nicht unmittelbar erfüllt wurden, hat er für die Weltkirche mit dem stark veränderten Fokus „auf die Ränder“, mit der Neuordnung und Besetzung von Kurie und Kardinalskollegium sowie mit der Stärkung des synodalen Prinzips der Kirche fundamentale Weichenstellungen vorgenommen. Wollte man ein Bild bemühen, dann hat Franziskus im Weinberg des Herrn den Boden gelockert, ihn von manchem Unkraut befreit und vieles bereitet, damit Neues erwachsen kann. Ich bin überzeugt, dass wir die Früchte seines Wirkens erst in einigen Jahren wirklich erfassen werden.
Im Jahr 2022 konnte ihn bei einer Privataudienz persönlich kennenlernen. Er zeigte sich sehr interessiert für die Kirche von Dresden-Meißen und die Situation, in der wir nicht nur als Christen in Sachsen und Ostthüringen leben. Ich habe ihm vom Leben in unserer Diaspora erzählt, etwa wie viele Kilometer Gläubige zwischen Borna und Burgstädt fahren müssen, wie wir Menschen mit Christus in Berührung bringen möchten und wie vielfältig unser Bistum vom Sorbischen bis ins Altenburger Land ist. Papst Franziskus hat uns damals darin bestärkt, gemeinsam, das heißt synodal, mit den Gläubigen und im Vertrauen auf Gott auf die aktuellen Herausforderungen Antworten im Glauben zu suchen.
Bewusstsein für die Ökumene
Im Herbst 2024 hat uns Papst Franziskus mit einer ökumenischen Pilgergruppe und den Dresdner Kapellknaben - begleitet von Landesbischof Tobias Bilz und mir - bei einer Privataudienz empfangen. In den Morgenstunden der Eröffnung der Weltbischofssynode nahm er sich Zeit für die Ökumene – ein außerordentliches Zeichen. Der Heilige Vater hat mit hoher Sensibilität und Detailwissen über unsere kirchliche Situation gesprochen. Er ging insbesondere auf die Bedeutung des Glaubens inmitten einer säkularen Welt ein: „Ja, alles, der ganze Reichtum unseres Glaubens, ist ein Geschenk, ein Geschenk Gottes, das wir nicht nur für uns selber bekommen, sondern immer auch für die anderen, für die Menschen um uns herum – auch für diejenigen, die glaubensmäßig weit weg erscheinen, die noch nichts von Christus gehört haben, oder die meinen, er hätte nichts Wichtiges zu sagen. Mir scheint, dass es im Leben vieler Menschen heute an dem Sinn, der Hoffnung und der Freude fehlt, die die Welt nicht geben kann. Daher lade ich euch ein, mit allen den Sinn, die Hoffnung und die Freude aus dem Glauben zu teilen – selbstbewusst und demütig zugleich“, so Papst Franziskus. Er ermutigte uns als Christen in Sachsen, ein Zeugnis zu geben „von der Hoffnung, die euch erfüllt (vgl. 1 Petr 3,15). Denkt an die Bilder vom Salz der Erde und vom Licht der Welt, von dem kleinen Samenkorn. Die Bibel ist voll von solchen Beispielen, wo aus etwas Kleinem und Geringen mit Gottes Gnade Großes entsteht, etwas viel Größeres und Schöneres als wir Menschen es von alleine, aus eigener Kraft geschafft hätten.“
Der Heilige Vater erinnerte in diesem Zusammenhang an den Mut von Christen bei der Friedlichen Revolution und daran, dass Gottes Pläne größer sind als die des Menschen: „Im Oktober 1989 habt ihr eine Ahnung davon bekommen, als es einigen evangelischen und katholischen Christen in Dresden gelang, der Polizei entgegenzutreten. Es war wie ein Wunder, dass damals kein einziger Schuss fiel, und sich in der Folge ein friedlicher Weg auch in anderen Städten auftat, den niemand für möglich gehalten hätte und der schließlich zum 'Wunder' der Deutschen Einheit führte.“ Allen Pilgern gab er persönlich die Hand, wechselte einige Worte mit ihnen. Auf Gott zu vertrauen, der unser Denken übersteigt, und mit Demut und Selbstbewusstsein zugleich die Frohe Botschaft zu bezeugen, ist vielleicht eine Art geistliches Testament, das uns der Heilige Vater als Christen in Sachsen und Ostthüringen mit auf den Weg gibt.
Bodenständig und nahbar
Ich erinnere mich an einen sympathischen, nahbaren Papst, der mit der bodenständigen Erfahrung der Ortskirche von Buenos Aires wertvolle pastorale Perspektiven in seine Amtszeit in der Nachfolge auf dem Stuhl Petri mitbrachte. Ich habe ihn hier als einen Papst erlebt, der die Vielschichtigkeit der Lebensumstände der Menschen vor Augen hatte, nicht nur die Idee eines idealen Lebensentwurfs. Seine evangeliumsnahe Pragmatik und sein unkonventionelles Agieren haben sicherlich unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen.
Sehr deutlich wurde der realistische Blick auf die Lebenslagen der Menschen mit dem Nachsynodalen Schreiben „Amoris Laetitia“ (2016), das eine Kehrtwende in der Haltung der Kirche hinsichtlich der Sexualmoral bedeutet. Ohne sie außer Kraft zu setzen, rief er dazu auf, nicht nur über Normen zu predigen, sondern die Lebenswirklichkeiten der Menschen, ihr Mühen und ihr Ringen wahrzunehmen. Statt einer Kirche, die ausgrenzt, sollte Kirche alles tun, damit sie Menschen begleiten, in ihren Entscheidungen unterstützen und integrieren kann. Das gilt wohl explizit in der Frage nach der Kommunion für Menschen mit Lebensbrüchen und dem Umgang mit Sexualität. „Der Tragebalken, der das Leben der Kirche stützt, ist die Barmherzigkeit“: Dieser Satz von Franziskus aus seiner Verkündigungsbulle „Misericordiae vultus“ hat geprägt. Der von ihm vollzogene Perspektivwechsel hat mich persönlich sehr bewegt und motiviert, diesen auch vor einigen Jahren in unserem Bistum zu implementieren.
Leid der Flüchtlinge und Aussöhnung der Religionen im Blick
Papst Franziskus zeichnete sich auch durch eine radikale Zuwendung zu den Opfern der größten und andauerndsten humanitären Krise unserer Tage aus, der Flüchtlingsbewegung nach Europa. Seine Botschaft war klar: Wir dürfen uns vor der konkreten Not des Einzelnen nicht verschließen. Auch wenn es unbequem ist und vielleicht das eigene Leben einschränkt, sind wir verpflichtet, dem Bruder und der Schwester zu helfen. In dieser Hinsicht war sein Pontifikat von seiner ersten Reise auf Lampedusa bis zur noch heute auf dem Petersplatz stehenden Skulptur mit Menschen auf einem Flüchtlingsboot ein Stachel im Fleisch derer, die am Wohlstand unserer Gesellschaft klammern. Der verstorbene Papst hat beständig darauf hingewiesen, dass die Gründe für diese Katastrophe auch in der verbrecherischen Ausbeutung der Menschen anderer Länder und Kontinente über Generationen hinweg liegen, die letztlich auch zu unserem heutigen Wohlstand und Reichtum geführt haben.
Wegweisend war Papst Franziskus ohne Zweifel in seinen Wegen der Versöhnung mit dem Islam und seinen beiden Besuchen auf der Arabischen Halbinsel. Während ein Papstbesuch auf dem heiligen Territorium der Muslime bis dato undenkbar war, unterschrieb Papst Franziskus mit dem ägyptischen Großimam Ahmed al-Tayyeb genau dort ein Dokument über die Brüderlichkeit zwischen Muslimen und Christen. Angesichts von Terror in der Welt wurde mit diesem Text nicht nur der gewalttätige Extremismus von Religionen verurteilt, sondern auch ein historischer Meilenstein in der Verständigung und Versöhnung der Religionen untereinander erreicht. Ich frage mich, wie sehr wir hier in Deutschland diese Meilensteine überhaupt wahrgenommen haben.
Stärkung der Synodalität
Nicht zuletzt hat Papst Franziskus innerkirchlich die Ortskirchen gestärkt und ihnen in subsidiären Prinzipien - beispielsweise große Kompetenz bei der Übersetzung der liturgischen Texte in die Muttersprache der jeweiligen Länder - eingeräumt. Mit einer Weltsynode, die Synodalität selbst zum Thema macht, hat er ein altes Prinzip der Kirche gestärkt und angefangen, es in das Heute hinein zu buchstabieren. Der Heilige Vater hat mir damals in der Audienz gegenüber ausdrücklich den Wunsch geäußert, dafür das Synodale vor Ort, im Bistum, voranzubringen. In Gemeinschaft gelingt die Freude am Evangelium und schafft Kraft, es in unserem Land einzubringen, ohne zu spalten. Sein klarer Christus-Kompass ist mir dafür ein Vorbild. Ich halte die Synodalität, das gemeinsame Suchen und Ringen nach dem Weg, den Gottes Geist uns führen will, für eines der größten Geschenke, die uns Papst Franziskus gemacht hat.
Ich bitte die Gläubigen des Bistums um ihr dankbares Gebet für unseren verstorbenen Papst Franziskus. Möge Gott ihm seinen mutigen und konsequenten Dienst für die Kirche vergelten und all seiner Schwäche, Unterlassungen und Verfehlungen mit der Barmherzigkeit begegnen, die der Verstorbene selbst gepredigt und gelebt hat.
Requiescat in pace – er ruhe in Frieden.
Heinrich Timmerevers
Bischof von Dresden-Meißen