Im Streit zwischen Prag und Warschau um den Ausbau des polnischen Braunkohletagebaus Turow ist es überraschend zu einer Einigung gekommen. Der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala und sein polnischer Kollege Mateusz Morawiecki unterzeichneten am Donnerstag in Prag einen entsprechenden Vertrag. Er sieht unter anderem den Bau eines Erdwalls gegen die Lärmbelästigung und finanzielle Ausgleichszahlungen an Tschechien in Höhe von 45 Millionen Euro vor.
«Wir haben sehr harte Verhandlungen hinter uns», sagte der Liberalkonservative Fiala. Morawiecki sprach von einem «neuen Kapitel in den Beziehungen». Der umstrittene Tagebau Turow liegt im Dreiländereck von Polen, Tschechien und Deutschland. Er ist nur wenige Kilometer vom Zentrum der sächsischen Grenzstadt Zittau entfernt.
Tschechien hatte vor knapp einem Jahr gegen die umfangreichen Ausbaupläne und die Betriebsverlängerung auf polnischer Seite vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt. Bemängelt wurde vor allem, dass keine ordentliche Prüfung der Umweltverträglichkeit stattgefunden habe. Die Richter mit Sitz in Luxemburg untersagten daraufhin den weiteren Abbau in Turow bis zur Urteilsverkündung. Dem widersetzte sich Polen, was eine Geldstrafe von täglich 500.000 Euro zur Folge hatte.
Fiala kündigte nun an, dass Tschechien seine Klage vor dem EuGH binnen weniger Tage zurückziehen werde. Noch am Vormittag hatte alles anders ausgesehen: EuGH-Generalanwalt Priit Pikamäe gab dem Nachbarland Tschechien in seinem Gutachten recht (Rechtssache C-121/21). Die Meinung des Generalanwalts ist für die Richter zwar nicht bindend, häufig folgen sie ihr aber.
Sollte Tschechien die Klage tatsächlich zurückziehen, würden die täglich fälligen Bußgeldzahlungen sofort ausgesetzt, hieß es seitens der EU-Kommission. Trotzdem müsste Polen das Geld, das in der Zwischenzeit fällig wurde, nachzahlen. Das sind inzwischen rund 70 Millionen Euro plus mögliche Zinsen. Seit der Verhängung des Bußgelds im September habe Polen bisher nichts gezahlt, sagte ein Kommissionssprecher.
Die Umweltorganisation Greenpeace kritisierte, dass die Einigung bis zum letzten Moment geheimgehalten worden sei. Das Vorgehen der neuen Regierung in Prag sei skandalös und widerspreche eigenen Zusagen von Transparenz. Greenpeace warnte vor einem weiteren Abfall des Grundwasserspiegels durch die Tagebautätigkeit. Tausende Menschen in Nordböhmen könnten künftig ohne Zugang zu Trinkwasser sein. Teil der Einigung sind zwar Gegenmaßnahmen wie eine geplante unterirdische Mauer, die das Wasser auf tschechischer Seite zurückhalten soll. Umweltschützer äußerten aber Zweifel an deren Wirksamkeit.
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