Die Diskussion um eine mögliche Wiedereinführung der Wehrpflicht spaltet die politische Landschaft Deutschlands. Befürworter - darunter Teile der CDU/CSU und die AfD - sehen sie als notwendigen Schritt zur Stärkung der Landesverteidigung. Kritiker warnen vor hohen Kosten, mangelnder Effizienz und einer veralteten Vorstellung von moderner Kriegsführung. In der politischen Debatte werden zudem Alternativen wie ein freiwilliges Gesellschaftsjahr diskutiert. Doch was bedeutet es in der Praxis, Wehrdienst zu leisten?
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Marie-Sophie Jacobs, 25 Jahre alt und Medizinstudentin in Dresden, hat sich vor ihrem Studium bewusst für den freiwilligen Wehrdienst entschieden. Im Interview mit DieSachsen.de spricht sie über ihre persönlichen Erfahrungen, die Herausforderungen beim Militär - besonders als Frau - und ihre Sicht auf die aktuelle Debatte. Sie erklärt, warum sie eine allgemeine Wehrpflicht für wenig zielführend hält und welche Alternativen stattdessen die Wehrhaftigkeit der Gesellschaft stärken könnten.
(Bild: Marie-Sophie Jacobs)
"Unsere Demokratie ist nur dann wirklich stark und wehrhaft, wenn sie auch von überzeugten Demokratinnen und Demokraten verteidigt wird."
DieSachsen.de: Marie, was hat dich dazu bewogen, dich für den freiwilligen Wehrdienst zu entscheiden?
Dass ich einmal Ärztin werden will, wusste ich schon lange. Nachdem ich im Anschluss an mein Abitur jedoch nicht direkt einen Studienplatz an meiner Wunschuniversität erhalten habe, stand ich vor der Frage, wie ich mein freies Jahr sinnvoll gestalten könnte. Da mein Berufswunsch bereits feststand, spielte der Aspekt der Berufsfelderkundung dabei für mich eher eine untergeordnete Rolle.
Frisch aus der Schule raus, brodelten in mir Tatendrang und der Wunsch nach Herausforderung. Außerdem war ich neugierig darauf, die Bundeswehr - eine Institution, über die es ja unzählige Klischees, Gerüchte und Geschichten gibt - aus erster Hand kennenzulernen. Ich wollte mir mein eigenes Bild machen und mich trauen einen etwas unkonventionelleren Weg zu gehen.
Natürlich spielten auch pragmatische Überlegungen bei meiner Entscheidung eine Rolle. Ich komme aus einer Familie, in der die finanziellen Mittel sehr begrenzt sind, und meine Mutter hätte mich in der Zeit nicht unterstützen können. Die Möglichkeit ein eigenes Gehalt zu verdienen, erschien mir daher attraktiver als der Ausblick auf ein kleines Taschengeld im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ). Gleichzeitig war Geld aber nicht meine Hauptmotivation - sonst hätte ich, wie schon während meiner Zeit in der Oberstufe, einfach weiter in der Gastronomie arbeiten können. Ich wollte mich in dem Jahr aber auch weiterentwickeln, lernen, meine Grenzen austesten und etwas tun, das für mich eine tiefere Bedeutung hat.
DieSachsen.de: Wie sahen deine Erwartungen aus und inwiefern haben sich diese während deiner Dienstzeit geändert?
Zunächst habe ich mich online informiert und mir individuelle Erfahrungsberichte durchgelesen. Dadurch war mir dann auch schnell klar, dass die Allgemeine Grundausbildung (AGA), sowie der anschließende Dienst sehr unterschiedlich ablaufen können, die Erfahrungen sehr individuell sind und von vielen Faktoren abhängen können.
Außerdem habe ich mich im Karrierecenter der Bundeswehr beraten lassen. Dort konnte man sich unter anderem über die verschiedenen Optionen zur Anschlussverwendung nach durchlaufender Grundausbildung informieren und leicht herausfinden, die Wahl welcher Truppengattung für einen am ehesten in Frage kommt. Ich glaube, ich habe dadurch meinen Dienst relativ gut informiert angetreten.
Trotzdem kann man sich nicht auf alles vorbereiten. Eine gewisse mentale Flexibilität und Anpassungsbereitschaft an die gegebenen Umstände sind eben das "Leben in der Lage" und gehören mit zu den Grundvoraussetzungen.
Natürlich war ich anfangs nicht ganz frei von naiven Vorstellungen, was das Training und den Alltag während der Grundausbildung anbelangt. Während der Dienst zwar meistens körperlich und mental fordernd ist, sieht die Realität nicht so aus, dass man täglich actiongeladene Einsätze übt oder innerhalb von sieben oder zwölf Monaten zum Elite-Soldaten ausgebildet wird. Die Grundausbildung legt die Basis, aber der Alltag umfasst eben auch Routinetätigkeiten - dazu gehören Wachdienste, das Reinigen der Unterkünfte und organisatorische Aufgaben.
Nach meiner AGA wurde ich dann an das Bundeswehrkrankenhaus in Berlin versetzt und habe dort auf der Urologie die Pflege unterstützt. Im Endeffekt also gar nicht so weit weg von einem FSJ in einer medizinischen Einrichtung. Eine unerwartet positive Erfahrung war dort für mich, dass der Personalschlüssel überdurchschnittlich gut war und sich das medizinische Personal - zusammengesetzt aus Bundeswehrangehörigen und Zivilangestellten - daher die Zeit nehmen konnte, mir Abläufe zu erklären und viel beizubringen. Ich konnte sogar gelegentlich die Ärztinnen und Ärzte in den Spezial-Diagnostik-OP begleiten. Ganz nebenbei war es später auch ein immenser Vorteil, dass ich mir die Tätigkeit am Bundeswehrkrankenhaus für mein Medizinstudium als Pflegepraktikum hab anrechnen lassen können.
DieSachsen.de: Kannst du uns einen typischen Tag während deines Wehrdienstes beschreiben? Welchen Herausforderungen musstest du dich stellen?
Einen typischen Tag in der AGA gibt es so eigentlich gar nicht. Die Ausbildung ist sehr abwechslungsreich und man bekommt einen Dienstplan, in dem sich Tage die eher von theoretischer Anleitung und Unterricht geprägt sind und Tage an denen man von früh bis spät im Übungsgelände unterwegs ist, abwechseln. Zu den Routinen, die in meiner AGA an den meisten Tagen stattfanden, gehörte aber zum Beispiel der Frühsport. Das bedeutete: Aufstehen 04:50 Uhr, Antreten um 05:00 Uhr dann ein paar Kilometer laufen und anschließend allgemeine Fitness und Kraftübungen und danach zum Frühstück.
An das frühe Aufstehen muss man sich natürlich erstmal gewöhnen. Und 10 Minuten zwischen Weckruf und Antreten waren - inklusive Ankleiden und Bettmachen - anfangs auch recht knapp. Irgendwann wurde das aber Routine. Dann hatte man alles in 3 Minuten erledigt und konnte noch 5 Minuten für die Toilette anstehen.
Grenzen austesten – körperlich und mental. (Bild: Marie-Sophie Jacobs)
DieSachsen.de: Welche Fähigkeiten und Kenntnisse hast du durch den Wehrdienst erworben?
Wenn ich zurückblicke, ist mir positiv in Erinnerung geblieben, wie viel mehr als nur militärisches Wissen und Können in der Grundausbildung vermittelt wird. Neben der Ausbildung an der Waffe und körperlicher Ertüchtigung lernt man auch viele allgemein nützliche Fähigkeiten, absolviert Orientierungsläufe, behandelt Themen wie Umwelt- und Naturschutz und bekommt Unterricht in politischer Bildung und Grundlagen im Soldaten- und Völkerrecht vermittelt. Hinzu kommen dann noch truppengattungsspezifische Ausbildungsinhalte. Da ich mich für den Freiwilligen Wehrdienst in der Sanitätstruppe entschieden habe, umfasste die weiterführende Ausbildung unter anderem Einsatzersthelferlehrgänge, Übungen zur Evakuierung und medizinischen Versorgung von Kameradinnen und Kameraden unter Gefechtsbedingungen und vieles mehr.
Ansonsten war es eine besondere Erfahrung in so einer bunt gemischten und zufällig zusammengewürfelten Gruppe zu einem Team zusammenzuwachsen, zu erleben, was Kameradschaft bedeutet und zusammenzuhalten, auch wenn man sich privat vielleicht nicht unbedingt sympathisch war.
DieSachsen.de: Wie war die Zusammenarbeit mit den anderen Wehrdienstleistenden, insbesondere im Kontext der gemischten Geschlechter?
Der Frauenanteil war bei mir im Ausbildungszug - nicht unüblich für den Sanitätstruppenteil - recht hoch, wenn auch nicht ganz 50:50. Sexistische Sprüche und Kommentare gab es hier und da trotzdem. Jeder Mensch hat da auch andere Grenzen, was er im Spaß durchgehen lässt und wo Diskriminierung und Frauenfeindlichkeit beginnen und nicht mit Toleranz begegnet werden dürfen. Wie man damit umgeht, ist auch sehr unterschiedlich, wobei man natürlich am besten direkt anspricht, wenn einen etwas stört. Das gilt aber natürlich nicht nur für Frauen, denn auch das gehört für mich zur Kameradschaft: einzuschreiten, wenn jemand aufgrund seines Geschlechts oder anderer persönlicher Merkmale herabgewürdigt oder diskriminiert wird.
Aus meiner eigenen Erfahrung in einem Zug mit überdurchschnittlich hohem Frauenanteil habe ich überwiegend angenehme Erfahrungen mit den anderen FWDlern (Anm. d. Red.: Freiwillig Wehrdienstleistenden) gemacht. Das heißt nicht, dass jeder Kamerad ein aktiver Kämpfer für Frauenrechte war, aber man muss sich eben auch nicht mit jedem auf privater Ebene verstehen oder die gleichen Ansichten teilen. Gegenseitiger Respekt und vertrauensvolles Miteinander ohne Ausgrenzung sind aber sehr wohl nötig, um als Team zu funktionieren und gehören zur demokratischen Grundhaltung, die den Grundsatz der Gleichberechtigung umfasst.
Natürlich trifft man auch immer wieder auf Menschen, die behaupten, Frauen seien aufgrund körperlicher Merkmale wie geringerer Größe und Stärke weniger geeignet für den Wehrdienst (oder auch die Feuerwehr oder Polizei). Während natürlich Grundvoraussetzungen an Fitness und Kraft vorausgesetzt sein müssen, halte ich solche generellen Statements für Quatsch. Die zwei wichtigsten Gründe, warum ich diese Annahme ablehne, möchte ich hier kurz anmerken.
Dass Männer im Durchschnitt größer und stärker sind, ist kaum zu bestreiten. Aber es gibt eben auch Frauen, die in diesen Bereichen mindestens genauso gut abschneiden und die alle Voraussetzungen für einen Dienst in der Bundeswehr erfüllen. Warum sollte einem geeigneten Menschen aufgrund seines Geschlechts der Zugang zu einem Beruf verwehrt werden? Mir kommt es da auf die individuelle Eignung an.
Und Zweitens: Müssen alle Soldaten oder Einsatzkräfte unbedingt in Größe und Statur einem männlichen Standard-Typus entsprechen? Ich glaube nicht. Die Diversität in einem Team kann sogar ein großer Vorteil sein, da nicht alle Einsätze die gleichen Anforderungen stellen. Während ein großer, kräftiger Soldat beispielsweise leichter verletzte Kameraden tragen könnte, kann ein kleiner, schmal gebauter Soldat in einen engen Tunnel kriechen und ein Kind retten. Eine einheitliche Vorauswahl nach einem bestimmten "Typus" ist daher nicht immer sinnvoll.
Marie (Mitte) mit ihren Stubenkameradinnen (Bild: Marie-Sophie Jacobs)
Gab es während deines Wehrdienstes Momente oder Aspekte, die du als besonders schwierig oder negativ empfunden hast? Wie bist du damit umgegangen?
Ein Vorfall, der mir in Erinnerung geblieben ist, war bei einer Übung zur Reanimation. Einer der Ausbilder gab einen sexistischen Spruch ab ("Egal ob da eine geile 18-jährige mit großen Titten liegt oder eine eklige, alte Schachtel mit Schlauchbrüsten, ihr müsst da drücken"), was dann - da es auch nicht der erste "Witz" des Ausbilders war, der Frauen auf völlig unnötige und unpassende Weise sexualisierte - in der Pause für Diskussionen sorgte und die Frage aufwarf, wie man damit umgehen sollte. Auch da waren von "Ist doch nur ein Scherz gewesen" bis zu "das sollten wir direkt dem Kompaniechef melden", alles dabei. Man sollte dabei im Kopf behalten, dass dem Ende 40-Jährigen Ausbilder damals auch 17-19-jährige Sanitätssoldatinnen gegenüberstanden. Letztendlich haben wir uns damals entschieden mit dem Ausbilder zunächst das persönliche Gespräch zu suchen. Nachdem dieser jedoch seine Gleichgültigkeit unserem Anliegen gegenüber auf erneut ziemlich abwertende Art und Weise zum Ausdruck gebracht hatte, gaben wir es als Meldung an den Zugführer weiter. Einige interne Gespräche und eine unehrliche Entschuldigung beim Antreten zum Dienstschluss später, war besagter Ausbilder sicher kein überzeugter Feminist und mit Sicherheit bestanden und bestehen auch weiterhin weitaus komplexere und systemische Probleme mit Sexismus in der Bundeswehr als einzelne Individuen mit unangemessenen Sprüchen, aber zumindest ist solches Auftreten nicht unkommentiert von uns hingenommen wurden.
DieSachsen.de: Die Diskussion um eine mögliche Wiedereinführung der Wehrpflicht ist aktuell sehr präsent. Wie stehst du persönlich zu diesem Thema?
Zunächst möchte ich sagen, dass das ein super spannendes, aber auch sehr komplexes Thema ist, dem ich in diesem Rahmen wahrscheinlich kaum gerecht werden kann. Zudem bin ich zwar politisch interessiert, aber eben auch keine Verteidigungsexpertin. Was hier folgt ist meine in diesem Rahmen zu aller Kürze heruntergebrochene, subjektive Betrachtungsweise.
In einer sich wandelnden Welt verändert sich auch die Art der Kriegsführung. Traditionelle Feldschlachten mit großen Truppenaufgeboten treten zukünftig zunehmend in den Hintergrund. Stattdessen gewinnen die Qualität der Ausbildung, technologische Fähigkeiten und eine hochmoderne Ausrüstung immer mehr an Bedeutung. Der Fokus sollte daher stärker auf eine gezielte
Professionalisierung und Modernisierung der Streitkräfte liegen, anstatt ausschließlich auf eine zahlenmäßige Erhöhung des Personals zu setzen.
So wird zum Beispiel auch die Sicherheit unserer (digitalen) Infrastruktur immer wichtiger und komplexer. Um den neuen Herausforderungen in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik gerecht zu werden, bedarf es meiner Meinung nach viel eher einer vielfältig spezialisierten, gut ausgebildeten Berufsarmee als einer zahlenstarken Laienarmee. Ich sehe daher unter anderem auch Reformationspotential in den Bestimmungen zur Bewertung der Tauglichkeit von potentiellen Soldatinnen und Soldaten. Diese könnte beispielweise stärker verwendungsbezogen differenziert werden.
Die sofortige Umsetzung einer Allgemeinen Wehrpflicht als kurzfristige Antwort auf die wachsenden Sicherheitsbedenken halte ich außerdem für wenig sinnvoll, da Kapazitäten für die Ausbildung und Ausstattung von Wehrpflichtigen erst wieder geschaffen werden müssten und das daher - zumindest als schnelle Lösung für aktuelle Bedrohungen - unrealistisch erscheint. Natürlich würde die Wiedereinführung der Wehrpflicht auch hohe Kosten verursachen. Damit sage ich nicht, dass man an Verteidigung grundsätzlich sparen sollte, aber es sind eben Mittel, die möglicherweise besser in die Ausstattung der Bundeswehr und die Ausbildung von Berufssoldaten investiert werden könnten.
Ein Argument, dass ich in der Diskussion um eine Allgemeine Wehrpflicht hingegen nachvollziehen kann, ist das der allgemeinen Erhöhung der Resilienz und Wehrhaftigkeit der Gesellschaft im großen Rahmen, wenn junge Menschen in verschiedenen verteidigungsrelevanten Aspekten angelernt werden würden. Ein Gesellschaftsjahr einzuführen, das den Fokus auf Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben („Blaulichtorganisationen“), und Einrichtungen wie dem Katastrophenschutz etc. legt, wie es beispielsweise derzeit der grobe Plan der CDU vorsieht, klingt da am ehesten sinnvoll für mich. Ob es jedoch wirklich sinnvolle Tätigkeiten für alle jungen Menschen ohne vorherige Qualifikationen gibt, bleibt für mich höchst fraglich.
Einen allgemeinen und verpflichtenden Gesellschaftsdienst lehne ich deshalb, aber auch aus anderen Gründen eher ab.
Zum einen gibt es viele junge Menschen, die bereits klare berufliche Ziele haben. Sie sollten die Möglichkeit haben, direkt in ihre Ausbildung oder ihr Berufsleben einzusteigen, anstatt ein verpflichtendes Jahr absolvieren zu müssen. Jeder Fall, in dem eine ausgebildete Fachkraft der Gesellschaft ein Jahr später zur Verfügung steht, bedeutet eben auch einen Verlust an produktiver Arbeitskraft. Außerdem gibt es auch Berufswege, die bereits mit langen Ausbildungszeiten einhergehen.
Weiterhin wird in der Diskussion häufig das Argument angeführt, ein Pflichtjahr im Gesellschaftsdienst könne Disziplin und Charakterbildung fördern, woran es ja bekanntlich den jüngeren Generationen immer angeblich mangelt. Doch genau dafür leistet die Gesellschaft aus meiner Sicht bereits während der Schulzeit ihren Beitrag – durch Lehrkräfte, Erzieherinnen und Erzieher. Darüber hinaus stehen für mich vor allem das Elternhaus und die persönliche Selbstverantwortung im Vordergrund. Es kann schließlich nicht die Aufgabe von Pflegekräften, Rettungsdienstmitarbeitenden oder anderen Berufsgruppen in entsprechenden Einrichtungen sein, Defizite in der Erziehung auszugleichen und unmotivierte Pflichtdienstleistende zu betreuen.
Ich denke eine stärkere Förderung und Verbesserung der Konzepte für die Freiwilligen Dienst Formate ist richtig. Eventuell könnte man sogar diskutieren, eine Pflicht zum Gesellschaftsdienst einzuführen, sofern man nicht innerhalb eines Jahres nach Schulabschluss in Ausbildung oder Arbeit befindet.
Ein verpflichtendes Dienstjahr müsste in jedem Fall sorgfältig geplant werden, um sicherzustellen, dass die Einsatzbereiche sinnvoll gewählt sind und Dienstleistende in Tätigkeiten eingesetzt werden, in denen auch ungelernte Kräfte einen echten Beitrag leisten. Letztlich braucht es für ein solches Modell durchdachte Konzepte, langfristige Planung und flexible Optionen. Nur so kann verhindert werden, dass junge Menschen das Pflichtjahr lediglich absitzen, anstatt in ihren angestrebten Berufsfeldern Fuß zu fassen.
DieSachsen.de: Hast du festgestellt, dass Frauen im Wehrdienst vor speziellen Herausforderungen stehen? Wenn ja, welche sind das?
Ja. Allerdings sind die Bedingungen sowie die Herausforderungen auch sehr unterschiedlich und vielfältig. Ich will da nicht für alle Frauen sprechen, wir machen da schließlich auch alle unsere individuellen Erfahrungen. Ein Punkt, der aber viele von uns betrifft, ist die Menstruationsblutung. Gerade in der AGA kann das eine zusätzliche Belastung und Herausforderung sein, (bzw. perspektivisch für Soldatinnen in Auslandseinsätzen o.Ä.).
Grundsätzlich hat natürlich jede Soldatin für ihre persönliche Gesundheit und damit verbundene Dienstfähigkeit selbst Sorge zu tragen. Dazu gehört es unter anderem auch, im Rahmen der Periode auftretende Schmerzen, die den Dienst beeinträchtigen, gynäkologisch abklären und wenn möglich therapieren zu lassen. Leider kann nicht jeder Periodenschmerz erfolgreich therapiert werden. Und manchmal kann es auch passieren, dass man selbst mit starken Beschwerden nicht ernst genommen wird. Und dann kommen auf Übungen „im Feld“ natürlich noch logistische Schwierigkeiten hinzu. Da muss man sich als Frau meist ein paar Gedanken extra vorher machen. Es hilft unglaublich sich dabei mit anderen Frauen auszutauschen, viele teilen gerne Tipps und Tricks und manchmal hilft es auch einfach darüber zu sprechen und zu merken, dass man mit seinen Problemen auch zumindest nicht ganz allein ist.
Mein Tipp: Egal, ob Mann oder Frau, habt immer ein paar Tampons und Binden dabei! Das ist nicht nur nützlich, wenn man damit einer Kameradin aus der Bredouille helfen kann, sondern ist auch ideales Material, um Feuer zu entzünden oder sogar Nasenbluten zu stoppen (natürlich sind zur Wundversorgung grundsätzlich sterile Kompressen bzw. bei tieferen Verletzungen Druckverbände zu bevorzugen!).
DieSachsen.de: Gibt es etwas, das du unseren Leserinnen und Lesern mit auf den Weg geben möchtest, insbesondere den jungen Frauen, die diese Entscheidung vielleicht noch vor sich haben?
Lasst euch nicht von veralteten Vorstellungen oder Sprüchen am Stammtisch entmutigen die behaupten, ihr hättet nichts in der Verteidigung unseres Landes zu suchen, oder Militär sei reine Männersache. Die Bundeswehr bietet ein breites Spektrum an Aufgaben und Möglichkeiten, sich einzubringen. Die wenigsten davon erfordern ein Y-Chromosom.
Macht also einfach eine individuelle und ehrliche Evaluation eurer Fähigkeiten und Stärken - unabhängig eures Geschlechts - und überlegt, was euch interessiert.
Achtet nicht zu sehr darauf, was ihr alles noch nicht könnt. Vor allem wenn ihr jung und gerade aus der Schule raus seid, fragt euch lieber: Was will ich lernen? Was will ich mal können?
DieSachsen.de: Vielen Dank, Marie, für die spannenden Einblicke und deine offenen Worte – ein wertvoller Beitrag zur aktuellen Debatte!