Die Eröffnung der Chipfabrik TSMC in Dresden ist ein Meilenstein für die sächsische Wirtschaft und Hightech-Industrie. Doch wie kann die Bildungslandschaft Schritt halten, um den dringend benötigten Fachkräftenachwuchs zu sichern? Matthias Dietze, Vorstand und bildungspolitischer Sprecher der CDU im Dresdner Stadtrat, spricht im Interview mit DieSachsen.de über die Herausforderungen und Chancen, die sich aus dem Großprojekt für den Bildungssektor ergeben. Als entschiedener Befürworter der Digitalisierung und einer modernen Bildung sieht er die Politik in der Verantwortung, die Schulen fit für die Zukunft zu machen und den Nachwuchs gezielt auf die Anforderungen eines Hightech-Standortes vorzubereiten.
Herr Dietze, können Sie uns erläutern, warum Dresden als Standort für TSMC ausgewählt wurde und welche Vorteile sich daraus für die Stadt ergeben?
Dresden hat eine lange Tradition als IT-Standort, die bis in die DDR-Zeit mit Robotron zurückreicht. Die Auswahl eines Standorts durch TSMC basiert jedoch nicht nur auf einem Bauchgefühl, sondern erfolgt anhand einer Vielzahl von Einzelkriterien, die in endlosen Checklisten erfasst werden. Wichtige Faktoren sind unter anderem entwicklungsfähige Flächen, eine zuverlässige Wasserversorgung, erderschütterungsfreie Standorte, eine etablierte Zulieferindustrie und eine sichere Energieversorgung. Zudem spielen die auf die IT ausgerichteten Bildungseinrichtungen in Dresden eine herausragende Rolle, da sie den Bedarf an qualifizierten Fachkräften decken. Diese Kombination aus Infrastruktur, Know-how und Innovation macht Dresden zu einem idealen Standort für TSMC.
Wie wird sich die lokale Wirtschaft durch die TSMC-Ansiedlung verändern und welche langfristigen Effekte erwarten Sie für die Region?
Die Ansiedlung von TSMC in Dresden wird die Region langfristig zu einem führenden Zentrum der Halbleiterindustrie in Europa und in der Welt machen. Sie schafft hochqualifizierte Arbeitsplätze, stärkt die Zusammenarbeit mit lokalen Bildungseinrichtungen und zieht weitere Technologieunternehmen an, was die wirtschaftliche Diversifikation und Innovationskraft der Stadt fördert. Dresden wird so zu einem internationalen Magneten für Fachkräfte und Investitionen. Es ist unser Sprungbrett in die Zukunft.
Mit dem Zuzug von Fachkräften und deren Familien: Welche Maßnahmen trifft die Stadt, um den neuen Bedürfnissen in Bezug auf Wohnraum und soziale Dienste gerecht zu werden?
Der Bedarf an Wohnraum, insbesondere in werkstandortnahen Gebieten im Dresdner Norden, stellt eine erhebliche Herausforderung dar. Die Stadt ist gefordert, ihre bisherige Praxis der Blockade bei der Neuausweisung von Bauland und Verzögerungen bei der Genehmigung von Bebauungsplänen zu ändern. Es ist auch gleichzeitig die Chance, die zum Erliegen gekommene Bauwirtschaft in Dresden wieder zu beleben.
Wie plant Dresden, den Bildungsbedarf der internationalen Fachkräfte und ihrer Familien zu decken?
Eine zentrale Rolle bei der Bedarfsdeckung spielt die Dresden International School (DIS). Um den zusätzlichen Bedarf zu bewältigen, ist ein Ausbau der Schulgebäude erforderlich, der mit Kosten von 5 Millionen Euro veranschlagt wird. Die Stadt unterstützt den Ausbau dieses freien Trägers mit rund 2,5 Millionen Euro aus dem Budget für kreisfreie Städte.
Darüber hinaus wird erwogen, eigene Klassen an öffentlichen Schulen einzurichten, in denen der Unterricht in der Landessprache erfolgt. Um die angespannte Lage bei Schulplätzen im Dresdner Norden zu entschärfen, wurde ein Letter of Intent (LOI) mit der Gemeinde Ottendorf-Okrilla unterzeichnet. Ziel ist der Bau einer Gemeinschaftsschule in Ottendorf, die mit Unterstützung Dresdens realisiert werden soll.
Welche spezifischen Herausforderungen bringt die Integration internationaler Schüler in das Dresdner Schulsystem mit sich und wie wird darauf reagiert?
Dresden ist, wie alle deutschen Städte, integrationserfahren. Größte Herausforderung bei der Integration internationaler Schüler in das deutsche Schulsystem ist wie immer die Beseitigung der Sprachbarriere. Eine effektive Lösung hierfür bieten spezielle Vorbereitungsklassen, die auf den Erwerb der deutschen Sprache und die Eingliederung in das Regelschulsystem ausgerichtet sind.
Allerdings stellt sich die Frage, ob diese Option für Familien attraktiv ist, die nur einen vorübergehenden Aufenthalt in Dresden planen. Um dieser Situation gerecht zu werden, müssen Alternativen geschaffen werden. Dazu gehört die Zusammenarbeit mit der Dresden International School (DIS) sowie die Einrichtung eigener Klassen, in denen der Unterricht in der jeweiligen Landessprache der Schüler erfolgt.
Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen lokalen Bildungseinrichtungen und internationalen Unternehmen wie TSMC aus?
Die Zusammenarbeit zwischen Dresdner Bildungseinrichtungen und internationalen Unternehmen wie TSMC ist ein zentraler Treiber für die Weiterentwicklung der Halbleiterindustrie in der Region. Dazu bestehen Kooperationsverträge zwischen der TU Dresden, der Fraunhofer-Gesellschaft in Dresden und der Chipindustrie, die sich auf Forschung, Entwicklung und den Transfer innovativer Technologien konzentrieren. Zusätzlich arbeiten die TU Dresden und das Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme (IPMS) eng mit Universitäten in Taiwan zusammen, um gemeinsame Forschungsprojekte im Bereich der Halbleitertechnologie voranzutreiben.
Welche neuen Bildungseinrichtungen oder -programme sind geplant, um den steigenden Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften zu decken?
Dresden verfügt dank der Technischen Universität über ausreichende Kapazitäten in den relevanten Hochschulstudiengängen. Darüber hinaus besteht in der Chipindustrie ein enormer Bedarf an qualifizierten Fachkräften im Berufsschulbereich.
Um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden, ist ein neues Schulgebäude für das Berufliche Schulzentrum (BSZ) Elektro geplant. Die Kosten für dieses Projekt belaufen sich auf über 100 Millionen Euro, eine Summe, die die Stadt Dresden nicht allein stemmen kann. Das Land Sachsen hat dafür bereits Unterstützung zugesagt, um den Ausbau der Berufsschulbildung in Dresden voranzutreiben und so den Fachkräftebedarf der Industrie zu decken.
Wie sieht die Strategie der Stadt Dresden aus, um potenzielle Fachkräfte in der Region zu halten und eine Abwanderung zu vermeiden?
Dresden ist eine lebenswerte Stadt, die über viele attraktive Stadtteile und ein einzigartiges Angebot im Bereich Kunst und Kultur verfügt. Es ist meine feste Überzeugung, wer einmal in unserer Stadt angekommen ist, wird sie nicht ohne Wehmut verlassen.
Ein bedeutsamer Vorteil ist auch, dass auf Grund der Vielzahl der Chipwerke in Dresden, persönliche Karrierewünsche verwirklicht werden können, ohne den Wohnort wechseln zu müssen.
Wie plant Dresden, die Balance zwischen der Förderung der lokalen Wirtschaft und der Vermeidung von Überlastung der städtischen Ressourcen und Infrastruktur zu halten?
In Sachsen und in Dresden herrscht parteiübergreifend Einigkeit bei allen erforderlichen Maßnahmen. Wichtige Projekte wie der Erhalt des Flughafens, der Ausbau der Straßeninfrastruktur, der Bau eines neuen Pelletwerks zur Energieversorgung sowie das Wasserkraftwerk sind konkrete Beispiele für gemeinsame politische Ziele, die bereits erfolgreich auf den Weg gebracht wurden. Sachsen und Dresden braucht die Chipindustrie, um als Wirtschaftsstandort zu bestehen. Gleichzeitig sind sich alle politischen Akteure der damit verbundenen Verantwortung für die nachhaltige Entwicklung der Stadt und die Balance zwischen Wirtschaftswachstum und Ressourcenschonung bewusst.