Chemnitz (dpa) - Wissenschaftler haben davor gewarnt, dass Rechtsextreme 2025 in Chemnitz die internationale Aufmerksamkeit durch die Kulturhauptstadt Europas für ihre Zwecke nutzen könnten. «Die Kulturhauptstadt sollte versuchen, sich durch einen besonderen Fokus auf die Demokratiefrage bestmöglich dagegen zu wappnen», erklärte der Soziologe Ulf Bohmann am Donnerstag. Chemnitz habe die Chance, vom Problemfall zu einem Musterbeispiel für die Bewältigung der Risikodemokratie und zum Vorbild für andere Städte zu werden.
Soziologe Bohmann hat mit seinen Kollegen Henning Laux und Jenni Brichzin eine ethnografische Studie zu den rechtsextremen Ausschreitungen vor vier Jahren vorgelegt, wie die Technische Universität Chemnitz mitteilte. Auslöser war damals der gewaltsame Tod eines Mannes am Rande des Stadtfestes.
«Die Stadt bewegt sich an der Schwelle zwischen rechtsradikaler Hochburg, apolitischer Sehnsucht und europäischer Kulturhauptstadt», resümieren die Forscher. «Sie kann und darf sich an diesem Scheidepunkt offenkundig nicht länger mit dem Gedanken an eine system-stabilisierende Mitte beruhigen, die lediglich aus ihrem politischen Dornröschenschlaf erweckt werden muss, um der Demokratie gegen ihre Verächter zum Sieg zu verhelfen.» Vielmehr könnte sich genau diese Mitte als politische Risikogruppe erweisen.
In dem Risiko liege allerdings auch eine Chance, heißt es. «Wenn es im Zuge des Kulturhauptstadtprozesses gelingt, wirksame und nachhaltige demokratische Formen des Umgangs mit jenem Risiko zu entwickeln, dann könnte zugleich ein Modell von allgemeiner Bedeutung für die Demokratie entstehen.»
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