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Studie: Personalschlüssel in Kitas nicht kindgerecht

Jacken und Rucksäcke hängen in einer Kita im Flur. / Foto: Caroline Seidel/dpa/Symbolbild
Jacken und Rucksäcke hängen in einer Kita im Flur. / Foto: Caroline Seidel/dpa/Symbolbild

Sachsen hinkt bei dem Personal in Kindertagesstätten weiter hinterher. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung zur frühkindlichen Bildung werden im Freistaat 93 Prozent der Kita-Kinder in Gruppen mit einer Personalausstattung betreut, die nicht kindgerecht ist. Das sei bundesweit der zweithöchste Anteil. «Da es im Jahr 2023 in dem Bundesland genügend Kitaplätze gibt, um den Betreuungsbedarf der Eltern zu erfüllen, sollte sich das Land auf den Qualitätsausbau konzentrieren», hieß es.

Um einen Personalschlüssel zu erreichen, der wissenschaftlichen Empfehlungen entspricht, müssten in Sachsen zusätzlich 20.800 Fachkräfte eingestellt werden, teilten die Autoren der Studie mit. Dadurch würden zusätzliche Personalkosten von rund einer Milliarde Euro pro Jahr entstehen. Gleichzeitig gebe es in Sachsen genügend Kita-Plätze, um die Nachfrage der Eltern zu decken. Im kommenden Jahr seien die erforderlichen rund 184.000 Plätze verfügbar.

Sachsen weise sowohl in den Krippen- als auch in den
Kindergartengruppen eine sehr ungünstige Personalausstattung auf, urteilen die Autoren. In Krippen habe sich der Personalschlüssel seit 2014 zwar verbessert und liege rechnerisch bei 1 zu 5,3. «Aber eine vollzeitbeschäftigte Fachkraft ist damit immer noch für mehr als zwei ganztagsbetreute Kinder mehr zuständig, als die Bertelsmann Stiftung empfiehlt (1 zu 3). Bundesweit liegt der Wert bei 1 zu 3,9.

Auch in sächsischen Kindergärten ist der Personalschlüssel von 1 zu 11,4 deutlich schlechter als der Bundeswert von 1 zu 8,4. Zwar attestiert die Bertelsmann Stiftung Sachsen auch hier eine Verbesserung. Eine Fachkraft habe im Vergleich zu 2014 nun zwei Kinder weniger zu betreuen. Bezogen auf die Empfehlung der Stiftung (1 zu 7,5) sei eine sächsische Fachkraft aber noch immer für fast vier Kinder mehr verantwortlich.

Die Studie löste eine Kontroverse aus. «Selbstverständlich sind Kita-Qualität und der Personalschlüssel weiter Thema im Kultusministerium, um die Bildungschancen unserer Kinder bestmöglich zu gestalten», erklärte Minister Christian Piwarz (CDU). «Völlig überzogen und an der Realität vorbei» seien aber die Forderungen einer kindgerechten Personalausstattung nach wissenschaftlichen Empfehlungen. «Sicherlich wünschen wir uns alle die optimale Betreuung gerade unserer Kleinsten. Aber es muss in der Realität auch umsetzbar sein.»

«Die zusätzlichen Personalvorstellungen sind angesichts des allgemeinen Fachkräftemangels in ganz Deutschland illusorisch. Wir sind in Sachsen froh, dass wir so viele Erzieherinnen und Erzieher ausbilden, dass wir unseren Bedarf decken können», betonte Piwarz. Bertelsmann sollte aufhören, «der Öffentlichkeit Sand in die Augen zu streuen». Zugleich bekräftige er seine Kritik daran, Bildungschancen allein am Betreuungsschlüssel festzumachen.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) verwies darauf, dass Sachsen bei der Ausstattung mit Kita-Personal erneut einen der letzten Plätze im bundesweiten Maßstab einnimmt und damit erheblich hinter den Bedürfnissen der Kinder, Eltern und Beschäftigen zurückbleibt. «Die Qualitätsansprüche sind mit der Zahl der vorhandenen Fachkräfte nicht erfüllbar», erklärte GEW-Chefin Uschi Kruse. Man erwarte, dass Sachsen die Bundesmittel aus dem neuen Kita-Qualitätsgesetz ausschließlich für mehr Personal verwende.

Genau das hatte auch die Studie Sachsen geraten. Der Fachkräftemangel sei ein doppeltes Problem, hieß es: Denn zu wenig Personal in der pädagogischen Praxis verschlechtere nicht nur die Qualität der frühkindlichen Bildung, sondern auch die Arbeitsbedingungen in Kitas. Es werde Zeit brauchen, die benötigten Fachkräfte zu gewinnen. Der aktuelle Personalmangel erfordere aber bereits jetzt Lösungen. So könne man mit zusätzlichem Personal für Hauswirtschaft und Verwaltung die Überlastung der Erzieherinnen und Erzieher reduzieren.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi sah das Kita-System in Sachsen bereits «vor dem Kollaps». Ein hoher Krankenstand als Folge der Arbeitsbelastung führe zu einer permanenten Überlastung des Personals, erklärte Daniel Herold, Bezirksgeschäftsführer von
Verdi Sachsen-West-Ost-Süd. Fachkräfte würden immer wieder darauf hinweisen, dass sie ihrem Bildungsanspruch nicht mehr gerecht werden und die Kinder häufig nur noch «verwahren». Konkrete Angaben zum Krankenstand wurden nicht gemacht.

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