In Sachsen wird über das komplette nächste Schuljahr die Arbeitszeit von Lehrkräften genau untersucht. Eine solche «grundhafte» repräsentative Analyse sei bundesweit einmalig, sagte Kultusminister Christian Piwarz (CDU) am Mittwoch in Dresden. Das beauftragte Wirtschaftsforschungsunternehmen Prognos AG hat dafür insgesamt 4100 verbeamtete und angestellte Lehrkräfte mit verschiedenen Arbeitszeitmodellen in einer flächendeckenden Stichprobe über alle Arten öffentlicher Schulen ausgewählt. Das entspricht etwa 15 Prozent der Lehrerschaft, wie Projektleiterin Kristina Stegner sagte. Auch 410 Schulleitungen beteiligten sich.
Unterrichten spiegele nur den sichtbaren Teil der Lehrerarbeitszeit wider, sagte Piwarz. Der Rest, wie Zeit für Vor- und Nachbereitung oder anderes, liege in einer «Black Box», in die nun Licht gebracht werden solle. «Wir wissen nicht hundertprozentig, wie es ist, haben nur Vermutungen und Annahmen aus Gesprächen mit Lehrkräften.» Es gehe darum, Ressourcen auszumachen und Arbeitsabläufe zu verbessern. Die Frage sei etwa, ob alles, was die Lehrer tun, auch von einem Lehrer getan werden müsse oder ob das auch jemand anderes machen könne.
Dazu tragen die Ausgewählten ab der letzten Sommerferien-Woche bis zum Schuljahresende täglich in ein Online-Formular ihre Arbeitszeit ein und wofür diese jeweils eingesetzt wird - nach einem wissenschaftlich erarbeiteten Katalog, wie Stegner erklärte. Mit Interviews solle zusätzlich die subjektive Belastung erfragt werden, vor allem zu besonderen Zeitpunkten wie Prüfungs- und Korrekturzeiten.
Die Kosten für die Untersuchung bezifferte das Ministerium auf rund 540.000 Euro. Piwarz hofft für 2025 auf erste Ergebnisse der Studie, aus der auch Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Bisherige Untersuchungen dieser Art basierten auf Freiwilligkeit, sagte er. «Wir wollen eine breite und valide Datenlage zur Arbeitsbelastung beruflicher Lehrkräfte.»
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hatte im Herbst 2023 auf eine Erfassung der Arbeitszeit von Lehrkräften gedrängt. Sie verwies auf eine von ihr in Auftrag gegebene Studie, die ihrer Ansicht nach die Überlastung von Lehrkräften wissenschaftlich belegt. Das Kultusministerium müsse «endlich für mehr Entlastung sorgen», sagte Landesvorsitzender Burkhard Naumann. Nach der GEW-Studie arbeite ein Drittel der Vollzeitkräfte über 48 Stunden pro Woche. «Zentrale Treiber der Mehrarbeit sind neue und zusätzliche Aufgaben.»
Der Sächsische Lehrerverband sieht in der Arbeitszeitstudie die «einmalige Chance», die tatsächliche Belastung der Lehrkräfte sichtbar zu machen, sagte der Landesvorsitzende René Michel. Die Studie biete bundesweit einmalig die Möglichkeit, «mit Klischees aufzuräumen und zu zeigen, wie viel Lehrkräfte arbeiten und welche Belastungen im Schulalltag vorherrschen». Mit einer regelmäßigen Arbeitszeiterfassung habe das allerdings nichts zu tun.
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