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Ich sehe was, was Du nicht siehst

www.pixabay.com / cherry1985
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Der Blick auf unsere Mitmenschen ist allzu oft durch unsere ganz eigene Vorstellung von der Welt getrübt. Doreen Wolf lädt in diesem Artikel zu einem zweiten Blick ein.


Der Tisch, an dem ich mich gerade mit meinem Laptop breit gemacht habe, ist mit glitzernden Sternen und Schneeflocken verziert. Egal wohin ich gehe und schaue, ich komme nicht darum herum, zu realisieren, dass Weihnachten vor der Tür steht. Weihnachten, das Fest der Liebe. Von den Weihnachtsmuffeln einmal abgesehen, denken die meisten von uns dabei an besinnliche Stunden mit den Menschen, die uns ganz besonders ans Herz gewachsen sind. Vermutlich die Wenigsten hegen den heimlichen Traum, ihr Weihnachtsfest mit dem Vollpfosten aus dem Nachbarbüro zu verbringen, mit dem schon das erste Aufeinandertreffen nach hinten losging. Und wenn ich ehrlich bin, stand das gerade auch noch nicht auf meiner Agenda.
Wie eingebildet von mir, legt die Bezeichnung „Vollpfosten“ doch eine Bewertung nahe, die mich in irgendeiner Weise auf eine höhere Ebene hebt. Das ist absoluter Schwachsinn! Sollten Sie ebenso liebevolle Kosenamen für den ein oder anderen Menschen aus Ihrem Umfeld pflegen, gilt übrigens das Gleiche.

Jeder von uns besitzt individuelle Eigenschaften, Fähigkeiten und Standpunkte, die dem bisherigen Entwicklungsprozess entspringen. Keine dieser Eigenschaften, Fähigkeiten sowie Standpunkte und kein Entwicklungsstand ist „besser“ oder „schlechter“. Vielmehr ist es genau dieser individuelle Mix, der uns Bedeutung verleiht und mit dem wir unsere ganz eigene Aufgabe in dieser Welt ausfüllen. Und dennoch sind wir nur allzu schnell mit unserer Bewertung, wenn wir jemandem begegnen, der sich anders verhält, als wir es für gut befinden.

Schauen Sie sich einmal in der Natur um, beispielsweise im Wald aus Ihrer nächsten Umgebung. Im Prinzip genügen jedoch auch schon die nächsten beiden Bäume, denen Sie über den Weg laufen. Gleicht ein Baum dem nächsten? Sind sie, im Sinne einer gesellschaftlich anerkannten Schablone, perfekt vollendet und ohne Makel? Nein. Die Natur ist nicht vollendet, und genau das macht sie perfekt! Sie nimmt äußere Umstände zum Anlass für Veränderungen. Sie lernt von ihrem Umfeld, nimmt und gibt, und wächst dabei.
Das Gleiche kann für mich, für Sie und den Vollpfosten gelten, wenn wir bereit sind zu akzeptieren, dass es auf der Welt keine zweite Person gibt, die uns gleicht und dass es genau diese Ungleichheit ist, die es uns ermöglicht, uns selbst zu entwickeln. Wenn Sie sich selbst immer wieder daran erinnern, dass jeder die Welt aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, dann geben Sie auch auftretenden Konflikten die Möglichkeit, zum Gewinn für alle Beteiligten zu werden.

Es ist Weihnachten, das Fest der Liebe. Denken Sie einmal ganz bewusst und wohlwollend an die Menschen, die Sie bisher nicht auf Ihrem Fest haben wollten. Erkennen Sie die Einzigartigkeit des Anderen, ergründen Sie dessen Standpunkte und fragen Sie sich, was Sie selbst aus Ihrer gemeinsamen Begegnung lernen können. Sehen Sie, was Ihnen bisher verborgen blieb.

Ich wünsche Ihnen ein besinnliches und friedvolles Weihnachtsfest!
Ihre Doreen Wolf