Ich habe es getan. Obwohl ich mir stets einbilde, die Welt, ihre Menschen und die gemeinsam erlebten Situationen mit einem reflektierten Blick zu betrachten, bin ich hineingetappt, in die Falle der einseitigen Betrachtung. Der Moment der Erleuchtung war beschämend und vor allem so unglaublich reich an Erkenntnis. Und deswegen möchte ich Sie einladen, mit mir an dieser Erkenntnis zu wachsen.
Was war geschehen? Seit dem Schuleintritt meiner Söhne nahm die Zufriedenheit mit dem Schulsystem und dem darin dienenden Schulpersonal stetig ab. Öffentlich habe ich mich dazu bekannt, dass die Lehrer den entwicklungspsychologischen und neurowissenschaftlichen Erkenntnissen zu wenig Beachtung schenken und der Umgang mit den Menschen, die die Zukunft unserer Gesellschaft gestalten werden, zu wenig wertschätzend ist und dabei Selbstvertrauen und Neugier im Keim erstickt werden. In mir entstanden persönliche Antipathien. Überzeugt von der obenliegenden Seite der Medaille habe ich kein einziges Mal versucht, sie zu wenden. Renat Safiullin, Schauspieler und Organisationsberater aus Dresden, hat mir diese Aufgabe abgenommen und mir vor Augen geführt, was es auch heißen kann, Lehrer zu sein.
Stellen Sie sich vor, ein mindestens 23-köpfiges Team inspirieren und motivieren zu wollen. Ein Team, in dem natürlich keiner dem anderen gleicht. Jeder hat andere Interessen, Stärken und Charaktereigenschaften und doch sollen möglichst alle das Gleiche tun. So sieht es der Plan vor, den Sie als Einzelne oder Einzelner nicht mal eben so verändern können. Wenn Sie so engagiert sind, es doch zu versuchen, dann stellen Sie sich besser darauf ein, Ihre Kraft mit Windmühlen zu messen statt sie in reale Veränderungen zu investieren.
Neben Ihrem 23-köpfigen Team kommt dann noch ein 23- bis 46-köpfiger Vorstand hinzu, die Eltern der Sprösslinge. Diese überwachen, ob Sie Ihren Job richtig machen. Im realen Fall gibt es von „richtig“ genau 23 bis 46 Interpretationen. Und all diesen Anforderungen stehen Sie ALLEIN gegenüber. Und das bitte als souveräne Führungskraft, ohne Schwäche zu zeigen. Es genügen kleine Abweichungen in die „falsche Richtung“, um mit der Zeit persönliche Antipathien gegen Sie entstehen zu lassen. Und ich weiß nicht, was geschehen muss, damit auch einmal ein „Dankeschön, Sie machen das toll!“ an Sie herangetragen wird.
Wie geht es Ihnen bei der Vorstellung?
Meine persönlichen Antipathien waren wie weggeblasen. Zwar bin ich noch immer der Meinung, dass unser Schulsystem besser werden kann. Und dank Renat Safiullin sehe ich nun sogar noch viel mehr Potential. Doch neben diesem Wunsch ist etwas hinzugekommen - Dankbarkeit für die Menschen, die sich, unter nicht einfachen Bedingungen, täglich der Verantwortung stellen, die Menschen zu führen, die die Zukunft unserer Gesellschaft gestalten werden.
Mein abschließender Wunsch an Sie, nach eben dieser Erfahrung lautet: Egal worum es geht, schauen Sie zwei Mal hin und fragen Sie sich, wie es wohl dem Anderen in der gemeinsam erlebten Situation geht. Wenn Sie das bereits heute oder zukünftig schaffen, ziehe ich meinen Hut vor Ihnen!