Ich bewundere die Geduld des Mittelstandes in unserem Land, der immer wieder Lasten aufgebürdet bekommt, ohne dass die Politik zu wissen scheint, was sie tut. Mit Naivität oder Desinteresse kann man das nicht mehr erklären. Aus wirtschaftlichem Übermut entwickelte sich sehr schnell eine wirtschaftliche Unvernunft in einem Ausmaß, wie ich es in einem Bildungsland niemals für möglich gehalten hätte.
Nach dem Schnulli „Kassenbons für Frühstücksbrötchen“ kommt jetzt „Klimanotstand ausrufen und nix Gescheites, sondern dummes Zeug machen“. Das politische Geschmäckle, in Deutschland Notstandsgesetze auszurufen, weil das geschichtlich eher „kontaminiert“ ist, ignoriere ich mal im weiteren Text. Da kann sich jeder selbst zu „Notstandsgesetzen in Deutschland“ begoogeln.
Der historische Moment dieser Tage im EU - Parlament muss wahrlich ergreifend gewesen sein. Bestimmt lagen sich Parlamentarier in den Armen, endlich diesen Meilenstein der Umweltgeschichte erreicht zu haben, als das EU - Parlament die Resolution beschloss, die der Klimakrise nun eine Panikadresse zuschreibt: den Klimanotstand. Problem benannt, Gefahr gebannt. Auf gar keinen Fall darf über etwas anderes nachgedacht werden als das Klima. Es gibt nur noch ein Thema auf dieser Welt und in unserem Leben: den Klimawandel. Alles andere ist unwichtig. Wahrscheinlich sind die Augen der Parlamentarier auch noch feucht, wenn sie jetzt zum Wochenende alle in ihre Flieger steigen, um innerhalb Europas in ihre Herkunftsländer zu fliegen. Das ist die normale Heuchelei, die inzwischen so salonfähig geworden ist, dass Tetzel seine wahre Freude an diesem modernen Ablasshandel hätte.
Jetzt bräuchte es einen Martin Luther aus dem Mittelstand, der seine 95 Thesen zu Johann Tetzel und seinen Ablasspredigten an die Kirchentür nagelte. Durchschlagende Maßnahmen sind trotz Notstand nicht wirklich zu hören gewesen. Was für eine kluge Entscheidung hätte es sein können, ein staatliches und stattliches Programm zur Aufforstung in ganz Europa zu beschließen, um die klassische Klimasenke Wald zu stärken? Das hätte viele Arbeitsplätze in allen EU - Mitgliedsländern geschaffen, einen starken Effekt auf die CO2 Bilanz gehabt und würden doch nicht nur uns Deutschen auch emotional das Herz wärmen. Um es mit Joseph Freiherr zu Eichendorff zu sagen: „O Täler weit, o Höhen, o schöner, grüner Wald. Da geht uns doch allen ehrlich das Herz auf. Das wäre auch teuer, aber nicht so teuer wie der um sich greifende Abbau der Großindustrie und das schleichende Abwürgen des Mittelstandes - das bleibt im Dunkeln, wird medial kaum berichtet und hat doch bereits jetzt erste dramatische Auswirkungen auf unseren Wohlstand im Lande. Frau von der Leyen hat dem Parlament eine Reihe von Maßnahmen zur Beschlussfassung vorgelegt, die in einigen Punkten dramatisch verwässert oder gar nicht aufgenommen wurden. Der wichtigste Punkt ist die Frage, den Emissionshandel innerhalb der EU auf andere Bereiche als nur die Energieerzeugung auszudehnen, z.B: auf Energieverschwendung im Verkehr und in Gebäuden. Das geschieht in der deutschen CO2 Bepreisung. Dieser Vorschlag, über die Energie - Erzeugung hinaus die CO2 Bilanz zu betrachten, ist auch technologisch durchaus sinnvoll, weil es Innovationen fördert. Das geht aber nur gut aus, wenn man dem Mittelstand die finanzielle Luft lässt, um diese Innovationen zu entwickeln und auf den Markt zu bringen. Neben sparsamen und anderen Antriebsarten kommen auch der Gebäudedämmung und zunehmend der Gebäudetechnik wachsende Bedeutung zu. Gerade dieser Punkt wurde aber von dem EU - Parlament politisch so entschärft, dass das aktuell bedeutet, dass der deutsche Mittelstand nicht nur die irritierenden politischen Maßnahmen der Bundesregierung wie jüngst die Bonpflicht zu verdauen hat, sondern eben auch noch in seiner Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der EU empfindlich getroffen wird. Er muss in Deutschland mit CO2 Preisen zurecht kommen, die in anderen EU - Ländern so wohl nicht gelten sollen. Denen dürfte das Gesamtpaket, das sich die Deutschen so wagemutig oder übermütig auf dem Rücken des Mittelstandes leisten, schlicht zu teuer sein. Das ist ein knallharter Wettbewerbsnachteil, denn die Produktionskosten werden hoch getrieben. Dabei haben die Deutschen schon die höchsten Strompreise in der EU. Nun werden selbst regional verwurzelte Mittelständler überlegen, ob sie nicht woanders produzieren - innerhalb der EU oder sogar außerhalb dieses inzwischen konfusen Europas. Das ist ein weitere Meilenstein in der De - Industrialisierung unseres Landes. Ob wir damit das Klima retten, ist mehr als ungewiss, wenn man sich die weltweit steigenden Emissonswerte ansieht. Dass wir damit unseren allgemeinen Wohlstand hier und jetzt immer stärker gefährden, ist mit Händen zu greifen. Das ist dann die harte Tour zur Emissionssenkung: wenn alle etwas ärmer werden, werden mehr zur Sparsamkeit gezwungen. Das senkt auch Emissionen - nach dem Stand der Dinge allerdings nur in Deutschland. Ich rufe schon einmal den Wirtschaftsnotstand aus. Oder ist es vielmehr ein Politiknotstand? Naja, Hauptsache Notstand.
Wann platzt dem Mittelstand in Deutschland eigentlich endlich der Kragen?
Ich bewundere die Geduld des Mittelstandes in unserem Land, der immer wieder Lasten aufgebürdet bekommt, ohne dass die Politik zu wissen sch
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