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Ehrenamtlicher Konflikt-Löser: Interview mit Schulmediator Wolfgang Engel

Wolfgang Engel, ehrenamtlicher Schulmediator im Interview (Foto: privat)
Wolfgang Engel, ehrenamtlicher Schulmediator im Interview (Foto: privat)

Wolfgang Engel ist Rentner und engagiert sich ehrenamtlich als Schulmediator. Im Interview erklärt er, warum er als Mediator arbeitet und was er erreicht hat.

In einer Zeit, in der Konflikte an Schulen immer häufiger auftreten und das soziale Miteinander von Schülerinnen und Schülern zunehmend herausgefordert wird, leisten ehrenamtliche Schulmediatoren einen wichtigen Beitrag zur Konfliktlösung. Einer dieser Mediatoren ist Wolfgang Engel, der seit 15 Jahren an einer Schule in Dresden tätig ist. Als Mitglied der Organisation "Seniorpartner in School Sachsen e.V." (SiS) bringt er seine Lebenserfahrung als Rentner ein, um Schülerinnen und Schülern in Sachsen bei der Bewältigung von Konflikten zu helfen. Im Interview spricht er über seine Motivation, seine Erfahrungen und die Herausforderungen, die mit dieser wichtigen ehrenamtlichen Tätigkeit verbunden sind. Dabei wird deutlich, wie wertvoll Schulmediatoren wie er für das Schulklima und die Konfliktbewältigung an Schulen sind.

DieSachsen.de: Herr Engel, Sie engagieren sich seit 15 Jahren als Schulmediator an einer Dresdner Schule. Wie hat sich Ihrer Meinung nach das Konfliktverhalten von Schülerinnen und Schülern über die Jahre verändert?

Das Verhalten von Schülerinnen und Schülern im Umgang miteinander hat sich nach meiner Erfahrung in den letzten Jahren verschlechtert. Der Umgang ist aggressiver, die Schimpfworte schlimmer und die Bereitschaft, Lösungen zu finden, ist geringer geworden. Streit und Konflikte unter Kindern und Jugendlichen wird es immer geben. Entscheidend für mich ist, wie Kinder damit umgehen. Kinder sind ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft und sie bekommen viel davon mit, was in unserem Umgang miteinander geschieht und was in den Medien dargestellt wird. Sie passen sich dem an und versuchen, sich an dem Umgang der Erwachsenen zu orientieren. Das ist für mich ein normaler Vorgang, aber die Ursache für einen schlechteren Umgang der Kinder miteinander liegt in der Regel nicht bei den Kindern, sondern ist ein gesellschaftliches Problem.

DieSachsen.de: Was hat Sie persönlich dazu motiviert, nach Ihrem Berufsleben als ehrenamtlicher Mediator in der Schule tätig zu werden? Gab es ein prägendes Erlebnis, das Sie zu diesem Engagement geführt hat?

Es gab zwei prägende Erlebnisse: Zum einen wurde ich Rentner, hatte also mehr Freizeit, und zum anderen habe ich damals einen Artikel in der SZ zum Thema Schulmediator gelesen. Dieser hat mich davon überzeugt, etwas Gutes für Kinder und für mich selbst zu tun. Die Entscheidung war richtig. Ich bleibe geistig aktiv, habe eine sinnstiftende Beschäftigung und erfahre sehr viel Wertschätzung von den Kindern und von den Lehrerinnen und Lehrern.

DieSachsen.de: Wie gestaltet sich ein typischer Tag für Sie als Schulmediator? Können Sie uns durch einen besonders herausfordernden Fall führen, den Sie erfolgreich lösen konnten?

Ich bin mit meiner Kollegin einen Tag pro Schulwoche in der Schule. Meine Tätigkeit beginnt mit der Abstimmung mit meiner Kollegin zu den Fällen der letzten Woche(n) und mit der Auswertung von Hinweisen der Lehrerinnen und Lehrer zu Konflikten der letzten Tage, um Mediationen und Gespräche vorzubereiten. Danach begeben wir uns in die Hofpause. Dort sprechen uns die Kinder an und bitten um Gespräche zu Streitigkeiten, Beschimpfungen, gewaltsamen Auseinandersetzungen oder Ausgrenzungen. Wir vergeben Zeiten für Mediationen und Gespräche, die die Kinder mit ihren Lehrerinnen und Lehrern abstimmen müssen. Danach beginnt die eigentliche Arbeit der Mediation oder auch von Einzelgesprächen. Die Teilnahme an den Mediationen und Gesprächen mit uns ist freiwillig, und die Inhalte der Gespräche sind vertraulich. Nach ca. 4 bis 5 Stunden beenden wir unsere Tätigkeit. Die Schülerinnen und Schüler haben Hausaufgabenzeit bzw. befinden sich im Hort. Wir sind danach geschafft, aber glücklich, dass wir Kindern helfen konnten.

Herausfordernde Fälle gibt es für mich an vielen Tagen in der Schule. Jede Mediation und jedes Gespräch mit Kindern ist eine Herausforderung. Es geht darum, die Kinder dahin zu führen, die Hintergründe für ihre Konflikte zu erkennen und selbstständig Lösungen zu finden. Ihre Gefühlswelt zu ermitteln, sich hineinzudenken und sie für eigenständige Lösungen zu begeistern, ist immer wieder eine Herausforderung. Aus diesen Gründen macht mich diese Arbeit auch so glücklich.

DieSachsen.de: Welche Fähigkeiten und Kenntnisse sind Ihrer Meinung nach entscheidend, um als Schulmediator erfolgreich zu sein? Wie wurden Sie auf diese Aufgabe vorbereitet?

Entscheidend ist für mich die Bereitschaft zur Hilfe für Kinder, ein den Kindern zugewandtes Auftreten, sich auf ihre Ebene zu begeben und zuhören zu können. Wertschätzung, Fragen und Zuhören sind Grundpfeiler einer gelingenden Kommunikation. Dazu muss man bereit sein.

Zum Schulmediator wird man nach einer 12-tägigen Ausbildung, die nach einem vorgegebenen Curriculum erfolgt. Wichtigste Themen sind: Techniken und Methoden der Gesprächsführung, entwicklungspsychologische Grundlagen, die Rolle des Mediators und die Zusammenarbeit mit der Schule. Für alle Schulmediatoren in Sachsen werden regelmäßig Supervisionen, kollegiale Fallberatungen und vertiefende Fortbildungen durch den Verband Seniorpartner in School Sachsen e.V. angeboten.

DieSachsen.de: Wie reagieren Schülerinnen und Schüler im Allgemeinen auf Ihre Rolle als Mediator? Gibt es besondere Herausforderungen, die durch den Altersunterschied entstehen, oder empfinden die Schüler dies eher als Vorteil?

In der Regel reagieren sie sehr positiv. Sie sind sehr offen uns gegenüber und sehr dankbar für unsere Hilfe. Um das zu erreichen, benötigen wir natürlich ihr Vertrauen. Wir stellen uns in den ersten Wochen eines Schuljahres in allen Klassen vor, sprechen über Streit, Ausgrenzung, Gewalt und den Umgang miteinander. Das hilft ihnen und uns, um uns gegenseitig zu verstehen. Herausforderungen durch den Altersunterschied gibt es aus meiner Sicht keine. Allerdings kann ich manche Aussagen der Kinder nicht verstehen, da ich bei Social Media nicht so präsent bin wie sie. Dann frage ich sie und sie erklären mir das, bzw. wir sprechen darüber.

Die Organisation SiS bietet Menschen wie Ihnen die Möglichkeit, sich ehrenamtlich an Schulen zu engagieren. Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit dieser Organisation und welche Unterstützung erhalten Sie von dort?

Der Verband Seniorpartner in School Sachsen e.V. ist die Basis für unsere Tätigkeit an Schulen in Sachsen. Der Verband schließt Verträge mit den Schulen ab, in denen die Rahmenbedingungen für die Tätigkeit der Schulmediatoren festgeschrieben sind. Er organisiert und finanziert die kostenlose Ausbildung, die kostenlosen Fortbildungen und Supervisionen. Die Schulmediatoren werden gut betreut in ihrer Tätigkeit, können sie doch manchmal vor schwierige Situationen in ihrer Schule gestellt werden. Diese werden dann in Supervisionen und kollegialen Fallberatungen, oder auch direkt durch den Vorstand bzw. eine Trainerin besprochen.

DieSachsen.de: Inwiefern hat sich Ihre Tätigkeit als Schulmediator auf Ihr eigenes Leben und Ihre Sichtweise auf Konflikte verändert? Was haben Sie persönlich durch die Arbeit mit den Schülern gelernt?

Bereits durch die Ausbildung und danach durch die praktische Arbeit sehe ich viele Dinge im Umgang der Menschen untereinander anders. Zuhören, Aussprechen lassen, Konflikte nicht abwehren, sondern besprechen und lösen, haben bei mir einen anderen Stellenwert gefunden. Mögen die Probleme bei den Kindern noch so klein für uns erscheinen, es ist wichtig, darüber zu sprechen. Das gilt auch für mein eigenes Leben. Ich habe gelernt, bei allen Schwierigkeiten mit ihnen offener umzugehen, zufriedener zu sein und in bestimmten Situationen ruhiger zu reagieren.

DieSachsen.de: Welche Rolle spielen Lehrer und Eltern in der Mediation an Schulen, und wie arbeiten Sie mit diesen Gruppen zusammen, um Konflikte nachhaltig zu lösen?

Meine Tätigkeit als Schulmediator ist auf die Konflikte und Probleme der Schulkinder in der Schule ausgerichtet. Die Eltern sind in diese Tätigkeit nicht involviert. Eine vertrauensvolle und enge Zusammenarbeit mit den Lehrern, Sozialpädagogen, Schulassistenten und Horterziehern ist für mich essenziell. Ich bin nur einen Tag pro Woche in der Schule, kann also gar nicht alle Konflikte erkennen. Dafür benötige ich Informationen über Konflikte und Probleme der Kinder. Dabei geht es nicht um Inhalte aus den Mediationen oder Gesprächen, diese sind vertraulich. Eine nachhaltige Lösung von Konflikten ergibt sich für mich aus mehrmaligen Gesprächen mit den Konfliktparteien. Da habe ich bisher gute Erfahrungen gemacht.

DieSachsen.de: Wie sehen Sie die Zukunft der Schulmediation in Deutschland? Glauben Sie, dass das Modell von ehrenamtlichen Mediatoren in Schulen weiter ausgebaut werden sollte?

Für mich ist Schulmediation eine ganz wichtige Errungenschaft, um Schulkindern zu helfen, Lehrer zu entlasten und Kindern Erfahrungen und Werte aus Sicht der älteren Generation zu vermitteln. Ich selbst habe eine große Genugtuung durch diese Tätigkeit und hoffe, dass noch viel mehr Seniorinnen und Senioren in den Genuss kommen, diese Tätigkeit ausführen zu können. In Deutschland ist Schulmediation derzeit in 13 Bundesländern aktiv. In Sachsen haben wir vor ca. fünf Jahren diese Aufgabe in das Ganztagsangebot der Schulen eingebunden. Damit sind wir schon einen wesentlichen Schritt weiter als andere Bundesländer. Meine Hoffnung ist, dass auch die anderen Bundesländer nachziehen, da die Ganztagsangebote in ganz Deutschland einen höheren Stellenwert erreichen sollen.

DieSachsen.de: Was würden Sie anderen Menschen, die ebenfalls eine ehrenamtliche Tätigkeit in der Schulmediation in Betracht ziehen, mit auf den Weg geben? Welche Ratschläge und ermutigenden Worte hätten Sie für potenzielle neue Schulmediatoren?

Diese ehrenamtliche Tätigkeit ist für mich persönlich sehr bereichernd, sie macht Spaß, und ich erfahre eine große Wertschätzung. In Dresden soll ab dem 10. Oktober 2024 ein Ausbildungskurs für Schulmediatoren beginnen. Dafür werden noch Teilnehmerinnen und Teilnehmer gesucht.

Vielen Dank, Herr Engel für Ihre Zeit und Ihr ehrenamtlichen Engagement.

Das Interview führte Thomas Wolf

Hinweis der Redaktion

Anmeldungen und Rückfragen sind per E-Mail an k.kieb@sis-sachsen.de möglich. Interessenten sollten Freude an der Arbeit mit Kindern, Verantwortungsbewusstsein, Ausdauer für eine längerfristige Mitarbeit an einer Schule und die notwendige Zeit für die Ausbildung und die Arbeit an der Schule mitbringen. Wenn man sich darauf einlässt, kommt die Freude über diese ehrenamtliche Arbeit und die eigene Genugtuung, etwas für Kinder und damit für unsere Gesellschaft und für sich selbst getan zu haben, von selbst.

Über die Website www.seniorpartnerinschool.de und www.sis-sachsen.de können sich Interessierte über Schulmediation, die Struktur und die Aufgaben von Schulmediatoren informieren. Dafür wünsche ich Ihnen Entschlossenheit und den Mut, etwas Außergewöhnliches zu versuchen.