Es ist Freitag. Ein Tag wie jeder andere?
Es gab Zeiten, zu denen mein Schreibtisch, angesichts des drohenden Wochenendes, unter der Last, der noch zu erledigenden Aufgaben, beinahe zusammenzubrechen schien. Manches Mal habe ich mich sogar dabei ertappt, wie ich mir wünschte, die beiden störenden freien Tage des Wochenendes würden gestrichen. Abschalten konnte und wollte ich sowieso nicht, denn ich fühlte mich gut dabei, irgendwie gebraucht und wertvoll.
Die Tage, an denen ich das, was ich mir vorgenommen hatte, nicht schaffte, waren die Regel. Manches Mal habe ich es gar nicht bis zu meinem Schreibtisch geschafft, da wurde mein Plan bereits über den Haufen geworfen, von einem Anruf oder einer dringenden E-Mail, die mich natürlich über das Smartphone bereits früh am Morgen zu Hause erreichten. Die Gedanken an das, was ich eigentlich zu tun gedachte, waren wie weggeblasen. Und so lief das, tagein und tagaus.
Irgendwann, als die verfügbare Zeit fürs Büro weniger wurde, die Anzahl der Aufgaben jedoch keineswegs im gleichen Maß zurückging, begann ich langsam zu realisieren, dass es gar nicht die Menge an Aufgaben war, die meinen Schreibtisch zum Erzittern brachte, sondern die Art und Weise, wie ich mit meinen Aufgaben und vor allem mit der zur Verfügung stehenden Zeit umging bzw. umgehen ließ.
Haben Sie das auch schon erlebt, dieses Gefühl, als würde Sie jemand durchs Dorf treiben?
Und haben Sie schon einmal versucht einfach stehenzubleiben?
Ich habe es versucht und dabei erlebt, dass es zunächst einmal gar nicht so „einfach“ ist. Nicht weil ich Schelte von den Treibern bekommen hätte. Nein! Sondern weil ich es mir selbst erlauben musste, und das fiel mir enorm schwer. Mich dazu zu bekennen, dass ich der vor mir liegenden Aufgabe alle Aufmerksamkeit widmen möchte und alle anderen Themen ignoriere, bis ich wieder frei dafür bin, war für mich Schwerstarbeit.
Natürlich mag es immer Ausnahmefälle geben, die Störungen rechtfertigen. Ich möchte nicht bis zum bitteren Ende in einem brennenden Büro sitzen, nur um meine Aufgabe zu erledigen. Doch als ich anfing, mir bewusst die Frage zu stellen, ob es wirklich gerade brennt oder ob der „Störfall“ nicht zu einem späteren Zeitpunkt noch früh genug bearbeitet werden kann, habe ich festgestellt, dass es ziemlich selten brennt. Das heißt nicht, dass für mich die anderen Aufgaben unwichtig wären, sondern dass sie zu einem späteren Zeitpunkt die notwendige Aufmerksamkeit erhalten. Und als ich wiederum anfing, meine Feststellung mit den Überbringern der Störung zu teilen, habe ich erfahren, dass sie die Sache gar nicht so anders sehen als ich es tat.
So habe ich mich nach und nach von dem Zwang befreit, rund um die Uhr für andere verfügbar zu sein und machte die Entdeckung, dass mir die Aufgaben, denen ich mich nun mit meiner ungeteilten Aufmerksamkeit widmete, schneller von der Hand gingen und ich mit dem Ergebnis deutlich zufriedener war, als ich es aus der Vergangenheit kannte. Dass das so ist, verwundert im Grunde nicht, denn Forscher haben längst belegt, dass unser Geist nur begrenzt zu Multitasking taugt und unser Gehirn Ruhe benötigt, um wirklich kreativ sein zu können.
Es ist Freitag. Vielleicht der Tag, um sich darüber bewusst zu werden, wie die Aussicht auf das Wochenende bei Ihnen aussieht?
Ja, ich weiß, wir alle leben in einer Kultur der permanenten Vernetzung, in der uns Informationen von früh bis spät überfluten und unsere Reaktion erwarten. Doch eine Kultur „bezeichnet im weitesten Sinne alles, was der Mensch selbst gestaltend hervorbringt“*. Das heißt wiederum, dass Sie selbst mitgestalten. Wenn Sie sich in der oben stehenden Beschreibung erkennen, dann lade ich Sie daher ein, für sich persönlich einen Unterschied zu machen. Bleiben Sie stehen, wenn Sie sich gejagt fühlen und schenken Sie immer Ihre ganze Aufmerksamkeit genau der Aufgabe, die Sie im Moment vor sich haben.
Auch wenn es sich für Sie und Ihr Umfeld lohnen wird, verspreche ich Ihnen, dass es nicht einfach wird, Ihre mehr oder weniger lieb gewonnenen Gewohnheiten zu verändern. Ich scheitere selbst auch noch manches Mal. Doch bleiben Sie dran, denn wie Maya Ying Lin, die Architektin des Vietnam Veterans Memorial, es ausdrückte: „Ohne Widerstand können wir nicht fliegen.“.
In diesem Sinne wünsche Ich Ihnen ungeahnte Überflüge!
Ihre Doreen Wolf
*Quelle: Webenzyklopädie Wikipedia