Viele westliche Demokratien sind mit großen politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen konfrontiert. Die aktuelle Studie der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung und des ifo Instituts (Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V.) liefert dazu wichtige Erkenntnisse. Unter dem Titel "Stabile Demokratien in wirtschaftlich schweren Zeiten?" beleuchten Dr. Florian Dorn, David Gstrein und Dr. Florian Neumeier die wirtschaftlichen Ursachen des Erstarkens radikaler Strömungen und deren Auswirkungen auf die Stabilität von Demokratien. Ein Blick auf die Ergebnisse zeigt: Wenn der Wohlstand wackelt, gerät die Demokratie ins Wanken.
Wenn die Mitte bröckelt
In den letzten Jahren haben radikale Parteien und Populisten in vielen westlichen Demokratien Zulauf bekommen. Beispiele gibt es genug: Donald Trump in den USA, Marine Le Pen in Frankreich und die Alternative für Deutschland (AfD). Diese Entwicklungen sind nicht nur Ausdruck von Unzufriedenheit, sie zeigen eine tiefergehende Vertrauenskrise zwischen Staat und Bürgerinnen und Bürgern, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie gefährdet.
Die Autoren der Studie analysieren die Ursachen dieser Entwicklungen und werfen einen besonderen Blick auf die ökonomischen Gründe. Während kulturelle und soziale Faktoren ebenfalls eine Rolle spielen, steht hier die wirtschaftliche Unsicherheit im Fokus.
Warum wirtschaftliche Unsicherheit Populisten stark macht
Die Macht des Geldes
Eine zentrale Erkenntnis der Studie ist, dass wirtschaftliche Bedingungen einen großen Einfluss auf politische Einstellungen haben. Niedriges Wirtschaftswachstum, hohe Arbeitslosigkeit und wachsende Ungleichheit schaffen einen fruchtbaren Boden für radikale Parteien. Besonders in wirtschaftlich schweren Zeiten steigt die Unterstützung für extreme Positionen.
Die Angst vor dem Abstieg
Wirtschaftliche Unsicherheit umfasst mehr als nur finanzielle Schwierigkeiten. Sie umfasst die Angst vor Arbeitsplatzverlust, vor sinkendem Einkommen und vor einer unsicheren Zukunft. Diese Unsicherheit beeinflusst politische Entscheidungen stark und führt oft zu einer höheren Unterstützung für populistische Parteien. In Regionen mit hoher wirtschaftlicher Unsicherheit ist das Vertrauen in etablierte politische Institutionen besonders gering.
Globalisierung: Fluch oder Segen?
Die Globalisierung hat Gewinner und Verlierer hervorgebracht. Regionen, die stark von internationalem Wettbewerb betroffen sind, erleben oft eine höhere Arbeitslosigkeit und niedrigere Löhne. Dies führt zu einer stärkeren Unterstützung für nationalistische und protektionistische Parteien, die versprechen, die heimische Wirtschaft zu schützen. Diese Parteien nutzen die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den wirtschaftlichen Bedingungen, um ihre populistischen Botschaften zu verbreiten.
Deutschland im Fokus: Warum die AfD so erfolgreich ist
Ein besonderer Fokus der Studie liegt auf Deutschland und der Entwicklung der AfD. Seit ihrer Gründung 2013 hat die AfD sowohl bei Bundes- als auch bei Landtagswahlen beachtliche Erfolge erzielt, insbesondere in den neuen Bundesländern. Die Autoren zeigen, dass wirtschaftliche Deprivation – gemessen an der Armutsquote und der Armutslücke – signifikant mit dem Wahlerfolg der AfD korreliert. In Regionen mit hoher und steigender wirtschaftlicher Unsicherheit ist die Unterstützung für die AfD besonders groß.
Wahlentscheidungen in wirtschaftlich unsicheren Zeiten / Bild von Vilkasss auf Pixabay
Was tun? Maßnahmen gegen den Aufstieg radikaler Parteien
Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass wirtschaftliche Faktoren eine bedeutende Rolle beim Erfolg populistischer und radikaler Parteien spielen. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken, empfehlen die Autoren mehrere Maßnahmen:
Stärkung der sozialen Sicherheit: In wirtschaftlichen Krisenzeiten ist es entscheidend, dass der Staat soziale Sicherungssysteme stärkt, um die negativen Auswirkungen auf die Betroffenen abzufedern.
Gezielte Struktur- und Wirtschaftspolitik: Besonders in strukturschwachen Regionen müssen Maßnahmen ergriffen werden, um die wirtschaftliche Entwicklung zu fördern und Zukunftsperspektiven zu bieten.
Bildung und Ausbildung: Eine gezielte Verbesserung des Bildungs- und Ausbildungssystems kann dazu beitragen, Menschen besser auf wirtschaftliche Veränderungen vorzubereiten und sie gegenüber populistischen Botschaften zu sensibilisieren.
Vertrauen in die Demokratie stärken: Transparente und inklusive politische Prozesse sind notwendig, damit die Bürger das Gefühl haben, dass ihre Sorgen ernst genommen und Lösungen angeboten werden.
Ein Blick in die Zukunft
Die Studie der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung und des ifo Instituts bietet einen umfassenden Überblick über die ökonomischen Ursachen des Erstarkens radikaler Strömungen und deren Auswirkungen auf die Stabilität von Demokratien. Sie zeigt, dass wirtschaftliche Unsicherheit und Ungleichheit wesentliche Faktoren sind, die das Vertrauen in demokratische Institutionen untergraben und den Nährboden für populistische und extremistische Bewegungen bereiten. Durch gezielte Maßnahmen in den Bereichen soziale Sicherheit, Strukturpolitik und Bildung kann dieser Entwicklung entgegengewirkt werden, um die Stabilität und den Zusammenhalt in demokratischen Gesellschaften zu fördern.
Wenn der Wohlstand wackelt, müssen wir handeln
Die Botschaft der Studie ist klar: Wirtschaftliche Stabilität und soziale Sicherheit sind nicht nur wirtschaftspolitische Ziele, sondern auch Grundvoraussetzungen für eine stabile Demokratie. Wenn wir den Aufstieg radikaler und populistischer Parteien verhindern wollen, müssen wir die wirtschaftlichen Ursachen ihrer Erfolge ernst nehmen und gezielt angehen. Nur so können wir den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken und die Demokratie für die Zukunft wappnen. Dabei ist es entscheidend, dass alle Bevölkerungsschichten und Regionen in die wirtschaftliche Entwicklung eingebunden werden. Ein nachhaltiger sozialer Ausgleich und zukunftsorientierte Strukturpolitik sind unerlässlich, um die Demokratie zu schützen.