Die genaue Einwohnerzahl hat für Kommunen knallharte Auswirkungen auf ihre Finanzen. Denn danach richten sich sogenannte Schlüsselzuweisungen. Doch wie viele Menschen leben genau in einer Stadt? Darüber gibt es Streit in Sachsen. Teils klaffen die Zahlen, die die Städte aus ihren Melderegistern ziehen, weit auseinander mit den Daten des Statistischen Landesamtes. Müssen am Ende gar Gerichte entscheiden?
Beispiel Chemnitz: knapp 251.700 Einwohner mit Hauptwohnsitz hat die Stadt Ende 2024 gezählt. Die Statistiker in Kamenz kommen nur auf etwas mehr als 245.000. Für Leipzig klafft sogar eine Lücke von etwa 21.800 Einwohnern, wie die Stadt auf Anfrage informierte. Annaberg-Buchholz im Erzgebirge hat selbst etwa 1.100 Menschen mehr gezählt als das Landesamt.
Für einige Städte geht es um viel Geld
Die Kommunen bangen um viel Geld. «Eine geringere Einwohnerzahl führt tendenziell zu geringeren Schlüsselzuweisungen», so die Stadt Chemnitz. Die genaue Höhe hänge von vielen Faktoren ab - etwa wie sich die Einwohnerzahl insgesamt in Sachsen entwickle, aber auch die Steuerkraft. In Annaberg-Buchholz ist von etwa 420 Euro pro Kopf die Rede. Bei der Differenz von 1.100 Menschen entgingen ihr etwa 462.000 Euro allein dieses Jahr.
Doch wie kommt es zu den unterschiedlichen Zahlen? Das Landesamt beruft sich auf den Zensus 2022. In einem bundeseinheitlich festgelegten Verfahren würden diese Daten kontinuierlich auf Aktualität geprüft und fortgeschrieben. «Der Zensus ist sozusagen eine Art Inventur, mit der überprüft wird, wie genau die Melderegister die Realität abbilden, da diese nur das Meldeverhalten der Bevölkerung abbilden können», heißt es dort. Unterschiede könnten etwa daher kommen, dass Personen wegziehen - zum Beispiel ins Ausland - sich aber an ihrem bisherigen Wohnort nicht abmelden.
Zensus bringt Freistaat Vorteile – aber nicht jeder Stadt
Den Kommunen werde zurückgemeldet, wie viele Menschen zu viel oder zu wenig in ihren Registern vermerkt seien, so die Statistiker in Kamenz. Aus rechtlichen Gründen würden aber keine Namen weitergegeben. Daher könnten die Kommunen mit den Angaben ihre Melderegister nicht berichtigen.
Beim Großteil der Gemeinden liege die Differenz im Bereich von -2,5 bis +2,5 Prozent, hieß es. In Einzelfällen gibt es aber weitaus höhere Ausschläge zwischen -8,4 bis +6,2 Prozent.
Der Städte- und Gemeindebund verweist auf dpa-Anfrage darauf, dass dies kein Problem nur in Sachsen ist. Je nach Kommune seien die Auswirkungen verschieden. Bundesweit sei der Zensus für Sachsen sogar besser ausgefallen als im Durchschnitt der anderen Bundesländer. Das führe dazu, dass die Einnahmen des Freistaates im Bund-Länder-Finanzausgleich jährlich um rund 150 Millionen Euro gegenüber den bisherigen Erwartungen wachsen. Insgesamt seien die Schlüsselzuweisungen der sächsischen Kommunen durch den Zensus sogar leicht gestiegen. Etliche Gemeinden profitierten daher selbst bei sinkender Einwohnerzahl, konstatiert der Städte- und Gemeindebund (SSG).
Klage vor Gericht? - Wie betroffene Städte nun weiter vorgehen
Städte wie Leipzig, Chemnitz und Annaberg-Buchholz können laut SSG gegen die Daten des Landesamtes Widerspruch einlegen oder sogar Klage erheben. Aus Leipzig heißt es, dass derzeit alle möglichen Gründe für Abweichungen eingehend geprüft würden. Weitere Schritte seien davon abhängig, zu welchem Ergebnis dies komme.
«An der Richtigkeit der Ergebnisse des Zensus haben wir erhebliche Zweifel und deshalb Widerspruch gegen den Festsetzungsbescheid eingelegt», informierte eine Sprecherin der Stadt Annaberg-Buchholz. Zunächst gehe es darum, gemeinsam mit Chemnitz und Leipzig die Differenzen zu den Zahlen des Statistischen Landesamtes aufzuklären. «Vom Ergebnis hängt es ab, ob ein Klageverfahren angestrebt wird.»
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