Die Grünen haben ihre Forderung nach einem früheren Kohleausstieg in Ostdeutschland bekräftigt. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Michael Kellner (Grüne), sagte am Samstag auf einem Landesparteitag in Zerbst (Landkreis Anhalt-Bitterfeld), man streite und kämpfe für einen Ausstieg 2030. «Was NRW kann, das kann Ostdeutschland auch», sagte Kellner und erhielt dafür viel Applaus der Delegierten.
Die grün geführten Wirtschaftsministerien in Bund und Nordrhein-Westfalen hatten Anfang Oktober mit dem Energiekonzern RWE einen auf 2030 vorgezogenen Kohleausstieg im Rheinischen Revier vereinbart. SPD, Grüne und FDP im Bund haben in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten, den Kohleausstieg «idealerweise» auf 2030 vorzuziehen. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) beharrte zuletzt jedoch auf dem bisherigen Zieldatum 2038.
Kellner sagte am Samstag, dass die ostdeutschen Länder mit der Verfügbarkeit von grüner Energie Standortvorteile hätten. Ein Grund für die Ansiedlung des US-Chipherstellers Intel in Magdeburg sei der hohe Anteil an erneuerbaren Energien in Sachsen-Anhalt gewesen, so Kellner.
Der Staatssekretär übte zudem deutliche Kritik an der CDU. Die Union wolle Probleme «anbellen» und nicht lösen, sagte er mit Blick auf die jüngste Debatte ums Bürgergeld. Auch Fraktionschefin Cornelia Lüddemann arbeitete sich an der CDU ab. Diese feiere Verbrennungsmotor und Atomkraft im Landtag, eine sachliche Debatte sei im Parlament kaum möglich. Die CDU stehe «auf der dunklen Seite des Gestrigen», sagte Lüddemann.
Die Fraktionschefin ging auch mit der eigenen Partei ins Gericht. Diese wolle sie manchmal ein «bisschen durchschütteln». Man beschäftige sich allzu oft mit sich selbst, agiere in einer «eigenen Blase» und setze zu wenig bei den Problemen der Menschen in diesem Land an. Die Grünen hätten die richtigen Ziele und Argumente, sagte Lüddemann. «Aber was wir noch mehr brauchen, ist, glaube ich, dass wir die Menschen auf der Gefühlsebene ansprechen.» Fakten müssten emotionaler rübergebracht und Lösungen für Probleme im Radverkehr oder beim Klimaschutz besser transportiert werden.
Skeptisch äußerte sich die Fraktionschefin zu den Aktionen der Protestgruppe «Letzte Generation», die zuletzt auch den Berufsverkehr in Magdeburg blockiert hatte. Sie könne die Verzweiflung der jungen Menschen verstehen, sagte Lüddemann. «Aber ich habe tatsächlich meine Zweifel in der Wirksamkeit.» In der Demokratie fänden Veränderungen mit politischen Mehrheiten statt.
Co-Landeschef Dennis Helmich forderte größere Anstrengungen von der Landesregierung beim Ausbau erneuerbarer Energien. Es reiche nicht, immer nur auf Berlin zu verweisen. «Wir haben die Potenziale, sie müssen aber ausgeschöpft werden», sagte Helmich.
Außerdem setzten sich die Delegierten mit dem Handwerk und dem Mittelstand in Sachsen-Anhalt auseinander. In einem mit großer Mehrheit verabschiedeten Antrag heißt es, die Vorteile von Handwerksberufen sollten eine größere Aufmerksamkeit erhalten. Dies soll unter anderem mit einer besseren Kooperation mit Wirtschaft und Handwerkskammern gelingen. Die Grünen fordern in diesem Zusammenhang auch, dass das Azubi-Ticket in Sachsen-Anhalt kostenfrei werden soll. Aktuell kostet dieses 50 Euro monatlich.
Um Projekte in der Energiewende voranzubringen, brauche es Handwerker, die sich um Wärmepumpen, Photovoltaik- und Windanlagen kümmerten, heißt es im Antrag. «Wir wollen in diesem Feld den Ausbildungskorridor verbreitern, eine Ausbildungsprämie einführen und damit der massiv anwachsenden Auftragslage in den kommenden Jahren Herr werden. Denn nur so gelingt die Energiewende.»
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