Es war wohl einer der emotionalsten Tage in der 70-jährigen Geschichte von Dynamo Dresden. «Dynamo heißt Leiden - Leidenschaft hält uns zusammen». Mit diesem Plakat hatten die Fans schon vor dem dann wertlosen 2:1-Sieg gegen den VfB Oldenburg klargemacht, dass man der Mannschaft die 1:4-Pleite in Meppen, mit der praktisch der Aufstieg verspielt wurde, verziehen hatte. Als auch eine Stunde nach Spielschluss noch die Tränen bei Spielern, Trainern und Anhängern flossen, waren es ausgerechnet die im Fall des Misserfolges als äußerst kritisch und in der Wortwahl nicht zimperlich geltenden Dynamo-Ultras, die versuchten, Trost zu spenden und zum Schulterschluss und gemeinsamen Angriff auf Liga zwei in der nächsten Saison aufriefen.
«Sowas habe ich noch nie erlebt. Auch nicht bei größeren Vereinen wie dem HSV, bei dem ich in jüngeren Jahren gespielt habe. Die traurige Wahrheit ist aber, dass es dritte Liga ist. Auch das Gespür, dass sie uns für die Rückrunde feiern, obwohl wir jetzt nichts in der Hand oder erreicht haben, ist phänomenal und eigentlich nicht in Worte zu fassen», sagte Ahmet Arslan, der mit seinen Saisontoren 24 und 25 Dynamo zum Sieg und sich zum Torschützenkönig der Liga schoss.
Ob der 29-Jährige sich noch ein Jahr dritte Liga antut, ist offener denn je. «Ich muss schauen, was jetzt für mich und meine Familie das Beste ist», sagte Arslan, der von Holstein Kiel ausgeliehen war. Eine Kaufoption sollen die Sachsen haben. Er ist aber nicht der Einzige, der Dynamo verlassen könnte. Die Verträge mit Kapitän Tim Knipping, Michael Akoto und Patrick Weihrauch laufen aus, neben Arslan waren auch Dennis Borkowski (RB Leipzig), Christian Conteh (Feyenoord Rotterdam) und Kyu-Hyun Park (Werder Bremen) ausgeliehen. Vertragsgespräche mit den Genannten, so bestätigte es Trainer Markus Anfang, seien nicht geführt worden. Alle wurden zunächst einmal am Sonntag verabschiedet, eine Dynamo-Zukunft ist aber nicht ausgeschlossen.
Dazu muss erst einmal Kassensturz gemacht werden. Das Szenario mit einer weiteren Drittliga-Saison war nach der völlig verkorksten Hinrunde zwar nicht unbekannt, trat mit der guten Rückrunde und der erst am vorletzten Spieltag in Meppen geplatzten Aufstiegshoffnung lange Zeit in den Hintergrund. Und dann verpasste Dynamo als Tabellen-Sechster auch noch die Teilnahme an der ersten Runde des DFB-Pokals. Die Antrittsgage von rund 200 000 Euro hätte den Verlust von Fernsehgeldern in der 2. Bundesliga etwas auffangen können. Der Umweg über den Landespokal wurde mit einer B-Elf im Halbfinale mit einer Niederlage gegen Drittliga-Absteiger Zwickau verspielt.
Fakt ist: Dynamo ist nun zum Aufstieg verdammt. Das Dresdner Ur-Gestein Stefan Kutschke tönte vor Fans und Journalisten: «Nächstes Jahr holen wir uns das, was dem Verein zusteht.» Pathetisch setzte er noch einen drauf: «Ein Leben lang Dynamo». Was ihn so sicher macht? Die Mannschaft sei zusammengewachsen. «Wir haben in der Rückrunde gezeigt, was Dynamo Dresden ausmacht. Man muss mit klaren Aussagen zeigen, was wir wollen und vornweg marschieren.» Niemand anderes als die Mannschaft sei schuld am Nicht-Aufstieg. Man gewinne zwar die Topspiele, habe aber gegen die Teams unten eine magere Ausbeute. «Dann fällt dir das auf die Füße. Wenn wir die Saison reflektieren, dann waren wir eben nicht gut genug», sagte der Stürmer und betonte: «Diese Wut, die wir jetzt auf uns selbst haben, müssen wir mitnehmen und sie so ummünzen, dass uns das nicht noch mal passiert.»
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