Real Madrid oder Manchester City im Stadion an der Alten Försterei. Das klingt für Fußball-Romantiker wie ein wunderbares Szenario. Ob in der kommenden Saison europäische Top-Clubs aber tatsächlich in der kleinen Arena des 1. FC Union in Berlin-Köpenick antreten werden, ist weiterhin sehr fraglich. Trotz der Erlaubnis der Europäischen Fußball-Union (UEFA) von Stehplätzen bei Spielen der Königsklasse, die einen Umzug nicht mehr zwingend erscheinen lässt.
Die Eisernen halten sich nach dem UEFA-Beschluss gegen einen kategorischen Stehplatz-Bann am Mittwoch noch bedeckt. Präsident Dirk Zingler hatte aber schon angedeutet, dass ein Umzug ins viel größere Olympiastadion unabhängig vom Urteil des Dachverbandes die wahrscheinliche Alternative ist.
«Zurzeit verdichten sich die Themen, dass wir die Champions League nicht in unserem Stadion spielen», sagte er. Das ist keine einfache Entscheidung für den Club, der auf seine Prinzipienfestigkeit stolz ist. Die riesige Arena im Westen der Hauptstadt mit ihren mehr als 74 000 Plätzen steht für den Lokalrivalen Hertha.
Die Tradition: «Alte Försterei, Alte Försterei...», lautstark schallt der Schlachtruf der Fans vor jedem Heimspiel durch das Stadion - es ist eine Art Liebeserklärung. Wie kaum bei einem anderen Verein ist die Bindung zwischen Anhängern und Spielstätte so eng, fast schon symbiotisch. «Hier is meen zu Hause. Hier kricht ma keener weg. Die Alte Försterei. Dit is der einzje Fleck», heißt es in einer Fan-Hymne.
Viele Fans bauten das Stadion einst mit auf, als Union in den Niederungen des Fußballs war und chronisch klamm. Auch bei den vier Heim-Partien in der Conference League 2021 im Olympiastadion, als die UEFA noch keine Stehplatz-Ausnahme erlaubte, wurde die Bindung zur Alten Försterei lautstark vorgetragen. Man fühlte sich im Fußball-Exil.
Die Fans: Gut 22.000 - überwiegend auf Stehplätzen - in der Alten Försterei oder gut 70.000 im Olympiastadion, ausschließlich auf Sitzplätzen. Bei aller Romantik - viele Eiserne kommen nur in den Königsklassen-Genuss, wenn Union umzieht. Das weiß auch Chef Zingler. «Wir können für die Alte Försterei noch nicht mal ein theoretisches Angebot machen, dass jedes Mitglied ein Spiel besuchen kann», sagte er. Mehr Fans glücklich zu machen, ist ein starkes Argument für einen Umzug Richtung Westend. Zingler und seine Führungscrew werden es zu nutzen wissen.
Die Finanzen: Vorsichtigen Schätzungen zufolge würde Union bei den drei Gruppen-Heimspielen einen mittleren einstelligen Millionenbetrag extra einnehmen, wenn man im Olympiastadion spielt - trotz dort zu zahlender Stadionmiete an das Land Berlin. Alleine die Vermarktung der VIP-Logen würde einen enormen Unterschied ausmachen. Dass ausgerechnet Union, als selbsterklärte Fußball-Bastion des Anti-Kapitalismus, diese Argumente nicht ausblenden kann, schmerzt die Eiserne Seele.
«Wir sind keen Verein. Wo die Euros when. Die richtje dicke Kohle. Hat hier nie eener jesehn», singen die Fans. Aber bei Lichte betrachtet, ist das Image nur noch Folklore. Union votierte kürzlich für einen Bundesliga-Investor, auch wenn das vielen Fans nicht gefiel. Man sagt es nicht laut in Köpenick, aber auch hier regiert Geld die Fußball-Welt.
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