An langen Schnüren wird die ratternde Maschine mit Baumwolle gefüttert, wo zig kleine Stäbchen in einem Magazin liegen. Mini-Portionen der Wolle von weit weniger als einem Gramm werden dann in rascher Folge mit Kleber an den Enden befestigt - rund 3000 Stück pro Minute. Die Wattestäbchen aus Oederan (Landkreis Mittelsachsen) dürften sich in vielen Haushalten finden - ein Alltagsprodukt, dem meist wenig Beachtung geschenkt wird. Hersteller Lemoine will nun deren Umweltbilanz verbessern und setzt bei der Verpackung auf Beutel aus Altpapier statt Kunststoff.
Die Wattestäbchen aus Sachsen werden europaweit verkauft. Rund 100 Mitarbeiter hat das Unternehmen am Standort Oederan, die den Angaben nach im Monat etwa zwei Milliarden solcher Stäbchen herstellen. Ärzte warnen davor, sie zum Reinigen der Ohren einzusetzen, verwendet werden sie aber etwa beim Schminken oder für Reinigungszwecke im Haushalt. Vor einigen Jahren hat Lemoine schon von Kunststoff- auf Papierstäbchen umgestellt. Auf diese Weise würden jährlich 850 Tonnen Kunststoff eingespart, rechnet Geschäftsführer Sébastien Schaal vor.
«Aber das war uns nicht genug», erklärt er. «Wir waren der Überzeugung, dass auch eine Verpackung ohne Kunststoff auskommen kann.» Mit der Investition von mehr als zwei Millionen Euro in die neue Anlage werden die Stäbchen nun in Papierbeutel gepackt - 160 Stück pro Tüte. Das soll weitere 18 Tonnen Plastik im Jahr sparen.
Verpackungen aus Kunststoff sind nach wie vor weit verbreitet. Laut Industrievereinigung Kunststoffverpackungen wurden 2021 4,7 Millionen Tonnen solcher Verpackungen und Folien in Deutschland hergestellt. Die Menge hat sich demnach seit Anfang der 1990er Jahren mehr als verdoppelt. Eine Möglichkeit, die Umweltbilanz zu verbessern, ist das Recycling. Doch im Vergleich zu anderen Materialien schneidet Plastik hier vergleichsweise schlecht ab. Lag die Quote laut Bundesumweltamt 2019 etwa für Glas bei 84 Prozent, bei Papier, Pappe und Karton bei fast 90 Prozent und bei Aluminium und Stahl bei rund 93 Prozent, waren es bei Kunststoff nur 56 Prozent.
Umweltschützer warnen aber davor, Kunststoffverpackungen schlicht durch andere Materialien wie Papier zu ersetzen, und sprechen in vielen Fällen von «Greenwashing». Denn auch die Produktion von Papierverpackungen benötige Energie sowie Chemikalien. Bei vielen Produkten könnte ganz auf Verpackung verzichtet werden, betont die Expertin für Kreislaufwirtschaft der Umweltschutzorganisation Greenpeace, Viola Wohlgemuth. Ansonsten seien Mehrwegverpackungen ähnlich der Getränkeflaschen eine Alternative - vom Joghurt bis zum Kaffee. Die könnten dann auch aus Kunststoff sein, sagt Wohlgemuth.
Aus ihrer Sicht sollten Wegwerfprodukte besser durch langlebige Pendants ersetzt werden. Dann könnten auch viele Verpackungen gespart werden. Zu solchen Artikeln zählt sie auch Wattestäbchen, wie sie in Oederan hergestellt werden. Wer darauf im Badezimmer nicht verzichten will, für den gebe es Alternativen etwa aus Holz oder Silikon, sagt die Umweltschützerin. Diese könnten gereinigt und mehrfach genutzt werden.
Lemoine-Geschäftsführer Schaal räumt ein, dass seine Wattestäbchen Wegwerfartikel sind. Er glaube aber, dass das Gros der Verbraucher bei solchen Hygiene-Artikeln nicht bereit sei, sich umzustellen. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) lobte am Montag das Engagement des Unternehmens: «Wir merken, wir müssen vernünftiger mit Ressourcen umgehen.»
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