HZDR-Forscher erhält internationalen Nachwuchspreis für Hochleistungsrechnen
Bei seinen Simulationen müssen selbst leistungsstärkste Computer auf Hochtouren laufen. Immerhin modellieren sie, was passiert, wenn ein Laserstrahl mit hunderten Billionen Watt auf eine Folie trifft. Da dieser Vorgang, bei dem ein Gemisch aus Milliarden von Elektronen und Ionen – ein Hoch-Energie-Plasma – entsteht, nur wenige Femtosekunden - 0,000 000 000 000 001 Sekunden- dauert, ist für die dreidimensionalen Modelle eine gewaltige Rechenkraft nötig – und ein effizienter Code. Diesen konnte Axel Hübl mit weiteren Nachwuchsphysikern des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) entwickeln. Für seine Leistungen auf dem Gebiet des Hochleistungsrechnens zeichnen ihn nun die Association for Computing Machinery (ACM) und das Institute of Electrical and Electronics Engineers (IEEE-CS) mit dem George Michael Memorial HPC Fellowship aus, das mit 5.000 US-Dollar dotiert ist.
Es begann alles schon im zweiten Semester. 2009 stieß Axel Hübl, damals noch Physik-Student an der TU Dresden, zu der HZDR-Nachwuchsgruppe „Computergestützte Strahlenphysik“. Ein Jahr zuvor hatte das Team um Dr. Michael Bussmann die erste Version des Codes „PIConGPU“ geschrieben. Schritt für Schritt entwickelten die Nachwuchsforscher die Software weiter, bis sie schließlich beim heute leistungsfähigsten Simulationsprogramm der Laser-Plasmaphysik ankamen. Einen wichtigen Beitrag lieferte dabei Axel Hübl: „Mit unserem Code können wir alle Teilchen eines Plasmas mit über 100 Milliarden Elektronen und Ionen verfolgen und ihren Einfluss auf das System berechnen. Unsere Software nutzt dafür die sogenannte ‚Particle-in-Cell‘-Methode (PIC), die wir als Open-Source weltweit Forschern zur Verfügung stellen und gemeinsam verbessern.“
„Das Programm beschreibt die Wechselwirkung geladener Teilchen, zum Beispiel Elektronen und Ionen, mit elektromagnetischen Feldern in einem virtuellen räumlichen Gitter über die Lösung von Differentialgleichungen“, erläutert Axel Hübl, der derzeit am HZDR und der TU Dresden promoviert. „Dadurch erfahren wir, wie sich die Partikel in den Zellen des dreidimensionalen Gitters bewegen und auf die Felder wirken.“ Anders als sonst üblich greift der Code allerdings nicht nur auf die normalen Hauptprozessoren, das Herzstück eines jeden Computers, zurück, sondern auch auf sogenannte GPUs – die Recheneinheiten von Grafikkarten. „Da sie Rechenschritte parallel ausführen, können wir die Prozesse wesentlich schneller verarbeiten.“
Von Rossendorf zum TITAN
Um aber selbst bei den rechenstärksten Computern der Welt die maximale Leistung abzurufen, müssen die Grafikkarten möglichst unabhängig voneinander arbeiten. Das ist besonders bei der Datenweitergabe ein Problem, da hier Wartezeiten entstehen, die den Großteil der GPU-Leistung verpuffen lassen. „Wir konnten dafür eine relativ elegante Lösung finden“, erzählt Hübl. „Schon bei der Übertragung zu anderen Karten beginnen neue Berechnungen.“ Durch solche Schritte konnten die Physiker den Code auch für Simulationen an Supercomputern fit machen. Das Team erhielt dadurch im letzten Jahr erneut Zugang zum derzeit drittschnellsten Computer der Welt – dem Hochleistungsrechner TITAN des Oak Ridge National Laboratory im US-Bundesstaat Tennessee.
„Dank der gewaltigen Rechenkraft konnten wir den Beschuss eines kugelförmigen Targets mit einem Laser modellieren und so die komplette Beschleunigung der Ionenstrahlen dreidimensional simulieren“, beschreibt Hübl die Untersuchung. „Bisher waren aufgrund begrenzter Rechenkraft nur zweidimensionale Berechnungen möglich. Durch die Simulation können wir nun die Effekte in allen Dimensionen beschreiben, die sich bei der Laser-Teilchenbeschleunigung abspielen, und unsere neuen Beschleuniger viel besser verstehen.“ Ein wichtiger Schritt – nicht nur für die Laser-Plasmaphysik, sondern auch für die Tumorbehandlung mit Partikelstrahlen. Bislang benötigt die Medizin riesige Teilchenbeschleuniger, um Protonen oder Ionen im Kampf gegen den Krebs einsetzen zu können.
Die Datenflut bewältigen
Eine Alternative ist die Beschleunigung per Laserlicht, was die Anlagen kompakter und damit ihren Einzug in den klinischen Alltag wahrscheinlicher machen würde. „Dafür müssen wir aber zuerst die grundlegenden physikalischen Effekte genau verstehen“, erklärt Axel Hübl. Die Modelle, die er mit seinen Kollegen entwickelt, liefern entscheidende Informationen. So viele, dass der Physiker für das Experiment am TITAN einen weiteren Supercomputer einsetzen musste, um die Datenflut sinnvoll verarbeiten und interpretieren zu können: „Die meisten Informationen haben wir analysiert, solange die Daten noch auf der GPU waren, um kostspieligen Speicherplatz zu sparen. Trotzdem haben wir innerhalb von fünf Tagen drei Petabyte an Daten gesammelt.“ Das ist eine drei mit 15 Nullen – oder etwa 30.000 beschriebene Blu-ray Discs. „Weitere Analysen liefen parallel auf einem angegliederten Supercomputer. Die Datenbeschreibung haben wir gleich noch in einem offenen Austauschformat für andere Wissenschaftler standardisiert.“
Diese Leistungen haben die ACM und die IEEE-CS überzeugt. Die beiden Organisationen verleihen Axel Hübl das George Michael Memorial HPC Fellowship, mit dem seit 2007 einmal pro Jahr Doktoranden ausgezeichnet werden, die hervorragende Ergebnisse auf dem Gebiet des Hochleistungsrechnens erzielen. Der Dresdner Forscher ist damit der zweite Deutsche überhaupt, der den Preis erhält. Die Auszeichnung soll an den Computerphysiker George Michael erinnern – einer der ersten Forscher, der Hochleistungsrechner eingesetzt hat, um physikalische Fragestellungen zu lösen.
Der Preis wird auf der International Conference for High Performance Computing, Networking, Storage and Analysis SC16 vergeben, die vom 13. bis 18. November Experten aus der ganzen Welt nach Salt Lake City im US-Bundesstaat Utah zieht.
Foto: Axel Hübl vom HZDR-Institut für Strahlenphysik Quelle: HZDR / R. Weisflog