Sachsen will ein weiteres Großvorhaben für die Forschung an Land ziehen. «Wir möchten nun auch das Einstein-Teleskop nach Sachsen holen und unterstützen alle Bemühungen, die zu einer Standortentscheidung für die Lausitz führen», sagte Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU) bei einem Termin des Deutschen Zentrums für Astrophysik (DZA) in Görlitz. Das DZA und das Einstein-Teleskop passten inhaltlich perfekt zusammen und würden sich als direkte Nachbarn gut ergänzen.
Teleskop soll Gravitationswellen messen
Das Einstein-Teleskop (ET) ist eine europäische Initiative zur Errichtung eines unterirdischen Observatoriums in Form eines gleichseitigen Dreiecks. Mit dem ET können Gravitationswellen aus dem All gemessen und ausgewertet werden. «Das Einstein-Teleskop ist ein entscheidender Schritt in der Erforschung unseres Universums. Seine Bedeutung ist immens», erklärte Christian Stegmann, Direktor des Bereichs Astroteilchenphysik am Forschungszentrum Desy, dem Deutsche Elektronen-Synchrotron. Mit dem ET sollen Forscher etwa die Kollision von schwarzen Löchern erkennen und Erkenntnisse über den Beginn des Universums erhalten.
Das Einstein-Teleskop ist ein europäisches Projekt. Auch Regionen im Norden Sardiniens und im Süden der Niederlande bewerben sich als Standort. Die Lausitz kam als drittes Gebiet dazu und ist nach Ansicht von Experten wegen ihres Granit-Untergrundes geeignet.
Oberirdisch wird von dem Observatorium kaum etwas zu sehen sein, denn mit seinen drei jeweils zehn Kilometer langen Armen soll es bis zu 300 Meter unter der Erdoberfläche liegen. Probebohrungen zu dem Projekt hatten 2022 in der Lausitz begonnen.
DZA-Campus entsteht auf dem Görlitzer Kahlbaum-Areal
Bei dem Termin in Görlitz wurde zugleich der künftige Standort des Deutschen Zentrums für Astrophysik vorgestellt. Das Großforschungszentrum kommt im Zuge des Strukturwandels in den Braunkohleregionen in die Lausitz und wird seinen Campus im sogenannten Kahlbaum-Areal errichten. Der Freistaat Sachsen erwarb das Gelände mit Gebäuden und stellt es dem DZA dauerhaft unentgeltlich zur Verfügung. Zur Kaufsumme wurde Stillschweigen vereinbart. Gemkow bezeichnete das Zentrum als «wissenschaftlichen Leuchtturm der Astrophysik im Herzen Europas».
Etwa 1.000 Beschäftigte sollen auf dem DZA-Campus arbeiten
«Das Kahlbaum-Areal war unser Wunschort, um im Herzen Europas einen prominenten Platz für Spitzenforschung zu schaffen, darüber freue ich mich außerordentlich», sagte Günther Hasinger, designierter Gründungsdirektor des DZA. Künftig sollen auf dem Gelände etwa 1.000 Beschäftigte die Astrophysik-Forschung voranbringen. Auch Labore und Werkstätten entstehen. Etwa zwei Drittel der Mitarbeiter sollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sein.
Das Kahlbaum-Areal in Görlitz ist geschichtsträchtig. 1855 wurde hier die erste Epilepsie-Klinik Deutschlands gegründet, Karl Ludwig Kahlbaum entwickelte sie zu einer der renommiertesten psychiatrischen Einrichtungen des 19. Jahrhunderts.
Das sächsische Wissenschaftsministerium erinnerte aber auch an die Last der Vergangenheit: Während der NS-Zeit wurden 1943 die Kahlbaum-Patienten in die Anstalt Großschweidnitz verlegt, wo viele unter katastrophalen Bedingungen starben.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gelände als Lungenheilstätte genutzt. Später zog ein Teil des Bezirkskrankenhauses Görlitz ein. Seit 2004 stand es dann leer.
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