Ein deutsch-tschechisches Verlegerpaar will mit einer Gedenkwanderung an ein Nachkriegsmassaker an Deutschen in der damaligen Tschechoslowakei erinnern. Jürgen Tschirner und Katerina Tschirner-Kosova aus Leipzig wollen am Samstag gemeinsam mit Mitstreitern vom Marktplatz in Zatec (Saaz) zur ehemaligen Kaserne in Postoloprty (Postelberg) laufen. Dort wurden Anfang Juni 1945 mindestens 763 Deutsche im Zuge der sogenannten wilden Vertreibungen nach dem Zweiten Weltkrieg erschossen oder erschlagen. Manche Schätzungen gehen sogar von bis zu 3000 Todesopfern aus.
«Eine aufrichtige deutsch-tschechische Freundschaft kann nur entstehen, wenn auch im Keller Licht angemacht ist und alle wissen, was passiert ist», sagte Jürgen Tschirner am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Begleitet wird das Paar von seinen drei Kindern. Als Vorbild für seine Aktion nannte Tschirner den Brünner Versöhnungsmarsch, der seit 2015 jährlich an die gewaltsame Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung aus Brünn (Brno) erinnert.
Anders als dort wird die Aktion in Postoloprty nicht von der örtlichen Stadtverwaltung unterstützt. Entsprechende Anfragen seien bisher alle vergeblich gewesen, berichtete Tschirner. Er warb dafür, bisher unmarkierte Massengräber um die Gemeinde mit zweisprachigen Gedenktafeln zu kennzeichnen. Postoloprty liegt knapp 60 Kilometer nordwestlich von Prag.
Das nationalsozialistische Deutschland hatte sich nach dem Münchner Abkommen vom September 1938 die Sudetengebiete der Tschechoslowakei einverleibt. Im März 1939 brach Hitler sein Wort, marschierte mit der Wehrmacht in Böhmen und Mähren ein und errichtete eine Schreckensherrschaft. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden rund drei Millionen Sudetendeutsche aus der wiederhergestellten Tschechoslowakei vertrieben.
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