„Smart City“ – oft gesagt, gehört, gelesen. Doch wie macht man eine Stadt „schlau“? Die Smart City Dresden ist hier seit Jahren aktiv und belegt im angesehenen Smart City Index des Branchenvereins Bitkom regelmäßig vordere Plätze. Das Modellprojekt Smart City Dresden (MPSC) will mithilfe der TU Dresden die geballte „Schwarmintelligenz“ der Stadt als Potential erschließen.
Nachhaltig planen, ganzheitlich denken, das Gemeinwohl im Blick. Um diese Richtlinien einer durchaus komplexen Smart-City-Stadtplanung in Handlung umsetzen zu können, braucht es eine Strategie. Für Dresden nichts Neues, aber innovativ ist der Ansatz des MPSC dennoch. Warum? Das Dresdner MPSC-Team hat die Strategie mit groß angelegter Beteiligung entwickelt und mit einer wissenschaftlichen Begleitforschung kombiniert.
Mit dem Förderprogramm Modellprojekte Smart Cities unterstützt die Bundesregierung 73 deutsche Städte, deren erfolgreiche Maßnahmen als Modelle für andere Kommunen dienen können. Die Projektleitung des Dresdner MPSC (Laufzeit: 2022-2026) liegt beim Eigenbetrieb IT Dienstleistungen, die wissenschaftliche Leitung im WISSENSARCHITEKTUR – Laboratory of Knowledge Architecture der TU Dresden.
Bürgerbeteiligung per Online-Umfrage und "Zukunftsbahn"
Das Forschungsteam der WISSENSARCHITEKTUR brachte im Strategieprozess die relevanten Dresdner Smart-City-Akteure– etwa das Amt für Wirtschaftsförderung und das (aus dem Projekt „Zukunftsstadt Dresden“ hervorgegangene) Bürgerlabor – mit Vertretern der Verwaltung und anderen Partnern zusammen, um Potentiale und gemeinsame Ziele aufzuspüren. Und es startete einen Beteiligungsprozess in der Bürgerschaft. Neben einer digitalen Online-Umfrage wurde die Aktion "Zukunftsbahn" durchgeführt: In drei Straßenbahnen konnten Passagiere während der Fahrt auf Postern ihre Gedanken zur Smart City Dresden hinterlassen.
„Die vielfältigen Kommentare und Rückmeldungen zeigen uns, dass in allen Akteursgruppen ein starkes Bewusstsein für Verbesserungspotenziale und Risiken herrscht“, fasst Dr. Paul Stadelhofer (WISSENSARCHITEKTUR) die Resonanz zusammen. „Die vielen Anregungen und die geäußerte Bereitschaft dazu, die Entwicklung der Stadt kritisch zu hinterfragen oder sogar aktiv mitzugestalten, sind ein positives Signal für unsere Arbeit.“
Welche Alltagsprobleme soll eine Smart City lösen?
Die Umfragen waren freiwillig gestaltet. Es ging darum, Dresdner Bürgerinnen und Bürger zu erreichen, die Lust darauf haben, ihre Stadt mitzugestalten. Über dieses Stimmungsbild hinaus bieten die Ergebnisse der Online-Umfrage aber spezifisches Wissen, das für die Forschung sehr wertvoll ist. „Uns interessieren Themen, die den Menschen wichtig sind, aber auch ihre Perspektiven“, so Dr. Filipe Mello Rose (WISSENSARCHITEKTUR). „Aus reiner Bürgersicht stellt sich eine Stadt anders dar, als wenn man sie als Verwaltungsangestellter, Wissenschaftlerin oder Wirtschaftsvertreter beurteilt. Wenn man diese Perspektiven abbilden und aufeinander beziehen kann, ist das ein gewaltiges Potential für Risikobewertungen und Entscheidungsprozesse.“
Die meisten der rund 600 Befragten bei der Online-Umfrage antworteten aus Bürgersicht (457, Beantwortung aus einer oder mehreren Perspektiven war möglich). Sie durften in freie Textfelder eingeben, welche Alltagsprobleme sie in der Stadt Dresden erleben, die man als Smart City lösen sollte. In Themen zusammengefasst wurden mit großem Abstand Probleme mit „Verwaltung“ (148) und „Verkehr & Mobilität“ (86) genannt, dahinter etwa „Digitale Infrastruktur“ (29), „Demokratie/Beteiligung“ (26) und „Nachhaltigkeit“ (21). Die Botschaft: Für Terminvergaben, Antragsverfahren oder Behördengänge solle die Verwaltung leichter erreichbar sein; eine effizientere Digitalisierung könne Prozesse beschleunigen und Bürokratie reduzieren. Auch Barrierefreiheit und Schonung der Ressourcen waren den Befragten wichtig.
Das Thema „Verkehr & Mobilität“ ist Bürgerinnen und Bürgern ebenfalls sehr wichtig. Positive Aussagen zum Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) decken sich mit Ergebnissen einer ADAC-Umfrage „Mobil in der Stadt“, der zufolge sich Menschen in Dresden mit Öffentlichen Verkehrsmitteln sogar im deutschlandweiten Vergleich zufriedener durch die Stadt bewegen. Befragte befürworten einen Fokus der Politik auf nachhaltige Mobilität, zum Einsatz von E-Fahrzeugen etwa einen Ausbau der Radwege. Smarte Lösungen könnten hier helfen: Wissenschaftliche Methoden und sensorische Messungen bieten neue Informationen, mit denen sich Verkehrsinfrastruktur besser verstehen und planen lässt.
Gar nicht so einfach...
Liegen die Daten vor, beginnt die Arbeit des wissenschaftlichen Teams. Ein scheinbar so klares Problem wird dann im Prisma der unterschiedlichen Perspektiven frustrierend komplex. Der Bürger wünscht sich eine App – die Verwaltung steht vor Entscheidungsprozessen über Datenschutz und zukunftsfähige Software. Oder: „Digitale Lösungen in der Verwaltung sind ein zentrales Ziel, aber wir dürfen die digital nicht affinen Bürgerinnen und Bürger nicht vergessen“, so Dr. Mello Rose. Hier müsse es z.B. alternative Wege und Hilfsangebote geben.
Dr. Mello Rose warnt auch davor, alle Defizite den Dresdner Ämtern zuzuschreiben. „Einige kritisierte Verwaltungsprozesse stehen nicht unter städtischer Verantwortung. Hier sind Reformen auf höherer Ebene nötig.“ Die Botschaft aber sei hörbar und ernst zu nehmen. Dresden solle die Chancen für Bürokratieabbau und Digitalisierung so weit wie möglich vorantreiben. So steigere man die Effizienz, erreiche eine höhere Bürgerfreundlichkeit und könne für mehr Transparenz und Information sorgen.
Zivilgesellschaft und Wissenschaft als Bündnispartner
Die Umfragen und die Vernetzungsworkshops zeigen, dass es viele mögliche Anknüpfungspunkte in der sogenannten organisierten Zivilgesellschaft gibt. Zahlreiche Einrichtungen und Vereine von Jugendhilfe, Kunst und Kultur, Integration, Sport, Volksbildung u.a. setzen sich für das Gemeinwohl und nachhaltige Lösungen ein. Ebenso die Szene der Open Source IT, die Softwareprodukte frei zur Verfügung stellt, oder Citizen-Science-Projekte, in denen die Bürger sich in wissenschaftlichen Projekten engagieren. Mit ihrem kritischen Bewusstsein und ihren besonderen Expertisen wären diese Menschen lohnende Bündnispartner für Smart-City-Netzwerke.
Die TU Dresden gehört natürlich ebenfalls in das Bündnis. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler könnten sich laut Umfrage eine Rolle als Ideengeber oder Tester technologischer Neuerungen vorstellen. Kooperationen mit der Universität laufen bereits: Ein Team der Wirtschaftsinformatik untersucht als MPSC-Maßnahmenprojekt das Open-Data-Portal der Stadt, über das der Öffentlichkeit städtische Daten zugänglich gemacht werden, auf Effizienz und Bürgernutzen. Andere Maßnahmen, wie ein digitales 3D-Modell, über das sich sensorgestützt Auftreten und Auswirkungen von Unwetterereignissen vorhersagen lassen (WAWUR), nutzen ebenso wissenschaftliche Technologien.
Stadtentwicklung braucht Beteiligung
Beteiligung an Stadtentwicklung ist gelebte Demokratie. Sie ist aber auch ein Instrument, Wissen zu sammeln und Vernetzung zu schaffen. Das ist, wie die Stadtentwicklung selbst, kein abschließbarer, sondern ein zyklischer Prozess. Die Smart-City-Strategie, die im vergangenen Jahr im Stadtrat beschlossen wurde, wird unter Leitung der WISSENSARCHITEKTUR im Laufe des Modellprojekts weiterentwickelt. Und die Maßnahme „Smart Participation“ wird mit ihren Beteiligungsformaten weiterhin die Wünsche und Ideen der Bevölkerung in die Stadtverwaltung spiegeln.