loading

Nachrichten werden geladen...

Nachwuchsgewinnung für Justiz: Sparkurs rächt sich

Die Richterbank im Landgericht Leipzig. / Foto: Jan Woitas/dpa/ZB/Archivbild
Die Richterbank im Landgericht Leipzig. / Foto: Jan Woitas/dpa/ZB/Archivbild

Der Generationenwechsel an sächsischen Gerichten ist in vollem Gang. Personal, das beim Neuaufbau der Justiz nach 1990 half oder aus dem DDR-Justizdienst übernommen wurde, geht in den Ruhestand - gleichzeitig herrscht starke Konkurrenz in der Nachwuchsgewinnung.

Angesichts der zunehmenden Wechsel in den Ruhestand in Sachsens Richter- und Staatsanwaltschaft und wachsender Konkurrenz bei der Nachwuchssuche rächen sich Sparmaßnahmen und politische Entscheidungen der Vergangenheit. «Über viele Jahre wurde viel zu wenig ausgebildet, auch vor dem Hintergrund stets drohender Abbaupflichten», sagt Leon Ross, Präsident des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden. So müssten auch im Rechtspfleger- und Geschäftsstellendienst zunächst immer noch Lücken gefüllt werden.

Dabei wurde die Zahl der Anwärter für die Justizsekretärs- und Rechtspflegerlaufbahn laut Ross mehr als verdoppelt und die Referendarausbildung ausgebaut. Auch das muss die Justiz neben den laufenden Aufgaben stemmen - ebenso wie die Einführung der «Neuen» bei Gericht. 2023 und 2024 sei zwar jeweils ein Stellenaufwuchs vorgesehen, aber «nur in sehr geringem Umfang, nachdem lange nur über Abbau gesprochen wurde.»

Ross kritisierte auch mit Blick auf die schwierige Besetzung von Stellen in abgelegeneren Regionen die Konzentration des Jurastudiums in Leipzig Anfang der 2000er Jahre. So hätten es vor allem Standorte im Osten und Südwesten des Landes schwer, Juristennachwuchs anzuziehen - wie auch Anwaltskanzleien, Behörden und Unternehmen. «Die Schließung der Juristischen Fakultät in Dresden war ein großer Fehler der sächsischen Hochschulplanung.» Nur eine juristische Fakultät auf vier Millionen Einwohner, das gebe es in keinem anderen Bundesland, «aus gutem Grund».

Mit der Referendarausbildung an vier Standorten, seit kurzem auch in Bautzen, wird gegengesteuert, das hohe akademische Niveau locke auch Absolventen aus anderen Bundesländern, sagt Ross. «Wir haben auch die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, dass aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und die juristische Fakultät in Dresden einmal wieder eingerichtet wird.» Das fordert auch die Rechtsanwaltskammer Sachsen.

Die aktuelle Situation zeigt nach deren Angaben, dass die volljuristische Ausbildung in Leipzig nicht ausreicht, um den Bedarf in allen Bereichen der Rechtspflege zu decken. Ab 2028 würden Hunderte Stellen in Anwaltschaft, Gerichten, bei Notaren und der öffentlichen Verwaltung nicht besetzt werden können. «Dies kann und wird den Zugang zum Recht für jeden Einzelnen erheblich erschweren.»

Das OLG geht davon aus, dass die Altersabgänge am Haus sowie an den Amts- und Landgerichten in den nächsten Jahren stark zunehmen. Mit 56 Richtern und Staatsanwälten wechselten 2022 schon so viele wie nie seit 20 Jahren in den Ruhestand, wobei laut Ross 58 Proberichter eingestellt wurden. Für 2027 werden 80 Abgänge erwartet. Die hohe Zahl der Ruhestände belaste auch die Rechtspflege und Geschäftsstellen. Viele gingen vorzeitig, teils erschöpft von den Belastungen in der Corona-Zeit - und «Arbeitskraft und Erfahrungswissen» seien mit ihnen verloren.

Laut Ross haben die Einstellung und die Ausbildung junger Anwärter und Richter daher «höchste Priorität», auch damit die Älteren ihr umfassendes Wissen noch an sie weitergeben könnten. In Zeiten von Fachkräftemangel sei das keine leichte Aufgabe, auch da räche sich der Sparkurs der Vergangenheit. Die Konkurrenz mit privaten und öffentlichen Arbeitgebern auch in benachbarten Bundesländern sei deutlich spürbar. Noch reichten die Bewerber für eine Leistungsauswahl in allen Laufbahnen aus, tendenziell werde es enger.

Sachsen punktet laut Ross mit einer der Lebenswirklichkeit flexibel angepassten Ausbildung. Referendariat in Teilzeit, Distanzunterricht oder elektronische Examensklausur, man wolle «auch weiter an allen Schrauben drehen». Am OLG werde die in Kanzleien längst übliche Richterassistenz erprobt. Die bezahlte Nebentätigkeit biete «besonders befähigten Referendaren» praktische Erfahrungen. Beim Einstieg ins Berufsleben sollen eine gute technische Ausstattung, flexible Arbeitszeitmodelle und berechenbare Karrierewege überzeugen. «Und wer vollen Einsatz bringt, muss auch davon ausgehen dürfen, die Arbeitslast zu bewältigen.»

Copyright 2023, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten