Ein ungewöhnlicher Prozess beschäftigt derzeit das Landgericht Leipzig. Angeklagt ist der 60-jährige Fikret A., der versucht haben soll, einen Mord in der berüchtigten Eisenbahnstraße zu begehen. Der Grund, dass sein mutmaßliches Opfer, Mahdi T., den Angriff überlebte, scheint dem Zufall geschuldet zu sein: Eine Schusswaffenblockade.
Laut Anklage soll Fikret A. am 4. Juli kurz nach fünf Uhr morgens mit einer Selbstladepistole vom Typ Taurus auf den 37-jährigen Tunesier gezielt und abgedrückt haben, ohne dass sich ein Schuss löste. Trotz zweier Versuche, den vermeintlichen Feind zu töten, blieb Mahdi T. unverletzt, was der Ermittlungsbehörde zufolge daran lag, dass die Waffe des Schützen nicht entsichert war.
Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeklagten einen Mordversuch aus Heimtücke zur Last. Doch der Prozess offenbarte bereits die Komplexität der Tat und ihrer Hintergründe. Die 16. Strafkammer des Landgerichts musste einräumen, dass das Merkmal der Heimtücke möglicherweise nicht erfüllt ist, basierend auf dem bisherigen Ermittlungsergebnis.
Die Geschehnisse, die dem Vorfall zugrunde liegen, scheinen in Auseinandersetzungen verstrickter Interessensgruppen zu wurzeln. Verteidiger Curt-Matthias Engel legte Wert darauf, die Vorfälle, die zu dem Angriff geführt haben könnten, einbeziehen zu lassen. Berücksichtigt werden sollten laut ihm Vorkommnisse weniger Tage zuvor, bei denen ein Libyer schwer verletzt wurde. Der Angeklagte Fikret A. selbst schweigt bislang zu den Vorwürfen.
Verschiedene Quellen und Ermittlungsergebnisse deuten darauf hin, dass der Vorfall eine Art von Notwehrhandlung seitens des Angeklagten sein könnte. Dieser behauptet, bedroht gewesen zu sein. Sein Anwalt unterstreicht, dass Fikret A. die Pistole bewusst gesichert ließ, um lediglich eine Drohung auszusprechen.
Ein V-Mann, der wesentliche Informationen zu den Hintergründen lieferte, wird seine Aussagen nicht im Verfahren machen, da das Innenministerium eine Sperrerklärung zu seinem Schutz herausgegeben hat.
Der Prozess erstreckt sich noch mindestens über zehn weitere Verhandlungstage, in denen versucht wird, Licht in den vermeintlichen Mordanschlag und dessen Vorgeschichte zu bringen. Fikret A., der sich derzeit in Untersuchungshaft befindet, wird die entscheidenden Fragen, die zur Klärung beitragen könnten, jedoch vermutlich noch einige Zeit unbeantwortet lassen.
Die Leipziger Eisenbahnstraße bleibt unterdessen ihrem Ruf als Brennpunkt für Gewaltverbrechen treu.