Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Verkehrsausschusses im Deutschen Bundestag,
in Deutschland sind mehr als 70.000 Unternehmen im Bereich der logistischen Dienstleistung aktiv, darunter 14.500 Speditionen, die Transporte organisieren und durchführen. Die Logistik zählt zu den größten und wichtigsten Wirtschaftsbereichen Deutschlands nach der Automobilwirtschaft und dem Handel. Sie rangiert noch vor der Elektronikbranche und dem Maschinenbau. Mit ihren mehr als drei Millionen Beschäftigten übertrifft sie beide um das Dreifache. Mit durchschnittlich 47 Beschäftigten pro Unternehmen ist die Branche klar mittelständisch geprägt. Es wäre somit ein Trugschluss, zu behaupten, dass alle Logistiker aufgrund ihrer Marktmacht Preiserhöhungen einfach an Verbraucher und Kunden weitergeben könnten.
Die Logistik wird im Jahr 2023 voraussichtlich branchenübergreifend rund 330 Milliarden Euro Umsatz erwirtschaften. Der Transport hat daran ein Marktanteil von 45 Prozent. Der Anteil der LKW an der Verteilung des Transportaufkommens auf verschiedene Verkehrsträger (Modal-Split) liegt bei rd. 72 Prozent. Das Marktwachstum lag im Mittel der letzten fünf Jahre bei neun Milliarden Euro pro Jahr. Mit der Anpassung der Mautsätze in der erwarteten Höhe zusätzlicher Kosten von 7,62 Milliarden Euro pro Jahr dürfte sich das Marktwachstum beim Transport erheblich reduzieren. Damit trifft die Mauterhöhung Verbraucherinnen und Verbraucher insgesamt und nicht nur allein die Logistik. Ebenso werden vor- und nachgelagerte Dienstleistungen, wie Lagerhaltung, Umschlag, Kommissionierung, Konfektion, Zollabfertigung usw. mit höheren Kosten belastet.
Eine Mauterhöhung zum jetzigen Zeitpunkt würde bedeuten:
Die Zahl der Insolvenzen bei den Speditionen droht zuzunehmen, insbesondere im Teil- und Komplettladungsbereich, der ohnehin durch geringe Renditen geprägt ist. Die Mauterhöhung mündet somit in den Ausfall weiterer Markteilnehmer, sorgt für zusätzliche Störungen in den Lieferketten und gefährdet massiv das Ziel der Resilienz. Lieferketten werden gestört oder schlimmstenfalls zerstört. Der volkwirtschaftliche Schaden gestörter Lieferketten ist spätestens seit der Corona-Pandemie bekannt. Er lag bei 300 Milliarden Euro. Transporte halten Lieferketten zusammen, sie verbinden Geschäftsprozesse und befördern essenzielle Produkte für nahezu alle Branchen.
• Unterbrochene Lieferketten erfordern mehr Lagerflächen. Dies zieht höhere Kosten für Unternehmen im Bereich Lagerkapazitäten und Personal nach sich.
• Die Engpässe senken gleichzeitig die Produktivität in Häfen und Produktion. Höhere Sicherheitsbestände erschweren die Unternehmensfinanzierung. Der Personalaufwand zur Revitalisierung der Ketten steigt.
• Die jetzt geplante Mauterhöhung in Deutschland befördert zudem die Ladungslenkung von und zum Seehafen Rotterdam. In den Niederlanden hat die Regierung die Mautpflicht für Nutzfahrzeuge über 3,5 Tonnen erst ab 2027 beschlossen. Die deutschen Seehäfen werden im Preis- und Verteilungskampf mit den Westhäfen somit weiter geschwächt, da die Nachlauftransporte von Rotterdam bis an die deutsche Grenze günstiger werden.
• Darüber hinaus werden Häfen wie Cuxhaven, Bremerhaven oder Emden im Vergleich zu Hamburg benachteiligt, da Umfuhr-Transporte zur nachgelagerten Dienstleistung oder Wertschöpfung geografisch länger sind als z.B. im Hamburger Stadtgebiet.
• Die höhere Maut auf 3,5 Tonner und längere Wege auf mautpflichtigen Landstraßen und Autobahnen wird die Zustellung von Paketen im ländlichen Raum bremsen. Möglich sind Szenarien, in denen der Paketdienst aus Kostengründen nur noch einmal pro Woche erfolgt. So werden diese Regionen noch weiter abgehängt im Vergleich zu städtischen Bereichen.
• Es dürften vermehrt kleinere Fahrzeuge unterhalb der 3,5 Tonnen-Grenze zum Einsatz kommen, um die Maut zu umgehen. Schlussendlich ist nicht erkennbar, dass von der Mauterhöhung eine Lenkungswirkung ausgeht.
Mit einer Mauterhöhung muss somit eine nachhaltige Entlastung einhergehen, damit mehr Transport mit weniger Verkehr möglich wird. Beispiele einer solchen Entlastung könnten wie folgt aussehen:
• Anreize zur Vermeidung von Leerfahrten
• Verpackungsreform (insbesondere auf der letzten Meile)
• Schnellstmögliche Vereinfachung der Genehmigungen für Großraum- und Schwertransporte
• Deutschlandtakt für GST-Transport (Montag der Antrag, Mittwoch die Genehmigung, Freitag der Transport)
• Revitalisierung der Einzelwagenverkehre im unmittelbaren Hafenhinterland sowie im direkten Umfeld der Güterverkehrszentren
• Einsatz von Lang-LKWs in allen Kategorien
Vor dem Hintergrund der beschriebenen Konsequenzen eines Gesetzes zur Änderung mautrechtlicher Vorschriften fordert der BVMW die Aussetzung der Mauterhöhung bis zum Jahr 2027. Ferner fordern wir die Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf, sämtliche Vorhaben der Bundesregierung daraufhin zu überprüfen, ob Lieferketten dadurch in Mitleidenschaft gezogen werden:
Über den Verband
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