Die Forderungen nach einem Bleiberecht für den früheren vietnamesischen Vertragsarbeiter Pham Phi Son mehren sich. Er lebt mit seiner Familie in Chemnitz und kam 1987 aufgrund einer Regierungsvereinbarung in die damalige DDR. «Es ist unmenschlich, einen Menschen aus dem Land auszuweisen, der seit mehr als drei Jahrzehnten in Deutschland lebt, arbeitet und eine Familie gegründet hat, nur weil er aus medizinischen Gründen eine Frist nicht einhalten konnte», erklärte Grünen-Landeschefin Christin Furtenbacher am Montag in Dresden. Nach Angaben des sächsischen Flüchtlingsrates droht dem Mann die Abschiebung, weil er 2016 mehr als sechs Monate lang für eine ärztliche Behandlung in Vietnam war und deshalb nun die Niederlassungserlaubnis in Deutschland verlieren soll.
Der Dachverband sächsischer Migrantenorganisationen (DSM) schloss sich dem Protest und Forderungen nach einer Bleibeperspektive für den Vietnamesen an. «Es ist unerträglich, dass in Sachsen immer noch Menschen abgeschoben werden, die seit vielen Jahren Teil unserer Gesellschaft sind», erklärte Kanwal Sethi, Co-Vorsitzender des DSM. «Was ist das für ein Signal an die zweite Generation? In was für einem Land leben wir, in dem tausende junge Menschen, die hier geboren wurden und oft die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, mit der Angst leben müssen, dass ihre Eltern und die ganze Familie bei einem Fehler jederzeit abgeschoben werden können?»
Es sei absolut unverständlich, weshalb Sachsens Ausländerbeauftragter Geert Mackenroth eine erneute Beratung über den Fall in der Härtefallkommission verweigere, betonte Furtenbacher. Mackenroth schloss das zuvor aus, weil sich «die Sach- oder Rechtslage nicht wesentlich zugunsten des Betroffenen geändert hat», wie er auf Facebook schrieb. «Ich bitte um Verständnis, dass einer detaillierteren Darlegung der Gründe Aspekte des Persönlichkeits- und Datenschutzes der Betroffenen entgegenstehen.»
Der Flüchtlingsrat hatte am Freitag eine Petition gestartet. Bis Montagmittagnachmittag sprachen sich schon fast 60 000 Menschen für ein Bleiberecht der vietnamesischen Familie aus.
Linke-Politikerin Juliane Nagel hatte der Landesregierung kürzlich vorgeworfen, seit langem in Sachsen lebenden Geflüchteten die Möglichkeit eines dauerhaften Aufenthaltes zu versperren. «Neun Bundesländer schützen langjährig hier lebende geduldete und zum Teil auch junge Menschen bereits vor dem Rauswurf. Sie haben im Vorgriff auf die nahende bundesgesetzliche bereits Vorgriffsregelungen gegen Abschiebungen getroffen, wie wir sie bereits im Juni gefordert hatten», sagte Nagel. Der sogenannte «Chancenaufenthalt» könnte für tausende Menschen in Sachsen endlich die zermürbende Realität jahrelanger Kettenduldungen beenden und den Weg zur gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft öffnen.
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