Ein Gastbeitrag von Lars Rohwer und Maria-Lena Weiss.
Wir brauchen mehr Intelligenz. Nicht nur in der Politik, sondern auch im Strommarkt. Denn hier verschwenden wir Milliarden an Steuergeldern in einem ineffizienten System, das zurzeit weder nachhaltig noch wirtschaftlich funktioniert. Nur eine smarte Revolution wird unter den Deutschen auf breiter Basis die notwendige Akzeptanz für die Nutzung erneuerbaren Energien schaffen. Deshalb müssen wir die Energiewende lieber heute als morgen vom Kopf auf die Füße stellen.
Diese ist eine der größten Herausforderungen und zugleich eine der bedeutendsten Chancen unserer Zeit. Der Ausbau erneuerbarer Energien schreitet in Deutschland rasant voran, und doch können wir sie noch nicht vollumfänglich nutzen, weil uns die netzdienliche Integration dieser Energien ins Stromnetz bisher nicht gelungen ist.
Es reicht nicht, einfach mehr Wind- und Solaranlagen zu installieren, denn aufgrund fehlender Kapazitäten können die gewonnenen Kilowattstunden nicht ins bestehende Stromnetz eingespeist werden. Unsere Aufgabe besteht darin, den erzeugten Strom nutzbar machen, ohne die Netze zu überlasten. Das Zauberwort lautet „Smart Grids“, denn herkömmliche Stromnetze sind nicht für Erneuerbare entworfen. Sie sind auf einen gleichmäßigen Energiefluss ausgelegt – im Gegensatz zu diesen intelligenten Netzen, die helfen, aus volatilen Stromquellen wie Wind und Sonne das Maximale rauszuholen. Das leisten netzintegrierte intelligente Messsysteme, die sogenannten „Smart Meter“.
Wir müssen unser Stromsystem so umgestalten, dass unsere Stromnetze, Förderstrukturen und Marktmechanismen das halten, was wir uns von ihnen versprechen. Denn in den vergangenen Jahren ist immer wieder deutlich geworden: Ohne die nötige Infrastruktur und marktwirtschaftliche Anreize können die Potenziale der erneuerbaren Energien nicht optimal ausgeschöpft werden. Das aktuelle Fördersystem der Erneuerbaren wird zunehmend zum Hindernis, da es den tatsächlichen Energiebedarf unberücksichtigt lässt. Das führt zu wachsenden Überkapazitäten und negativen Preisen an den Strombörsen: Waren es im Jahr 2023 noch knapp über 300 Stunden so lagen im Folgejahr bereits über 450 Stunden im negativen Bereich.
In solchen Zeiten bekommen unsere Nachbarländer Geld an der Strombörse dafür, dass sie unsere Energie abnehmen und ihre Speicher füllen. Das ist ein teurer Umweg, den am Ende alle Verbraucher zahlen, denn die Einspeisevergütung haben die Erzeuger – mit wenigen Ausnahmen – lange dennoch erhalten. So hat die Vergütung der erneuerbaren Energien den Staat allein im September 2024 rund 2,6 Milliarden Euro gekostet, während an der Strombörse im selben Zeitraum nur etwa 145 Millionen Euro eingenommen wurden. Mit einer noch kurz vor der Bundestagswahl verabschiedeten Gesetzesänderung wurde der Vergütungsentfall beim Eintreten negativer Spotmarktpreise vorgezogen und trifft damit zukünftig neu installierte Anlagen. Für Altanlagen gilt hingegen Bestandsschutz.
Deshalb ist es höchste Zeit, ein systemdienliches Strommarktdesign zu entwickeln, das die Integration der erneuerbaren Energien in den Mittelpunkt stellt. Es ist wichtiger denn je, die Netze zügig auszubauen und um intelligente Energiespeicher zu ergänzen, die den Solar- und Windstrom in Spitzenzeiten zwischenspeichern. Der Ausbau von Speichern entlang der Stromnetze muss konsequent vorangetrieben werden, um flexibel auf schwankende Einspeisungen reagieren zu können. Stromerzeugung und -verbrauch lassen sich dadurch zeitlich voneinander entkoppeln. Studien schätzen den volkswirtschaftlichen Nutzen von Großbatteriespeichern in unserem Stromsystem bis 2050 auf bis zu 12 Milliarden Euro. Eine bessere Einbindung bidirektionaler Ladestationen würde zusätzlich zu einer stabileren Netzfrequenz beitragen und bietet Verbrauchern neue Möglichkeiten, aktiv Teil eines flexiblen Energiesystems zu werden.
Auch in der Industrie liegt großes Potenzial: Der Einsatz elektrothermischer Speicher ermöglicht die Herstellung CO₂-neutraler Prozesswärme. Diese Technologie schafft nicht nur Flexibilität, sondern ermöglicht es der Industrie auch, sich unabhängiger von volatilen Energiepreisen oder dem Import fossiler Brennstoffe zu machen.
Anstatt starre Einspeisevergütungen zu vergeben, brauchen wir ferner Anreize, die Verbraucher und Produzenten gleichermaßen motivieren, ihren Stromverbrauch und die Einspeisung flexibel an das Angebot anzupassen. Belohnungen für flexible Verbrauchszeiten können sowohl Privatverbraucher als auch die Industrie dazu animieren, ihre Aktivitäten entsprechend zu steuern und damit das Netz zu entlasten.
Dynamische Stromtarife, die ab dem 01.01.2025 von jedem Energieversorger angeboten werden müssen, könnten dies unterstützen, doch diese drohen ins Leere zu laufen. Der Einbau der hierfür benötigten Smart Meter liegt weit hinter Plan und kommt nur schleppend voran. Erst ab dem Jahr 2030 ist eine annähernd flächendeckende Verbreitung der intelligenten Strommesser vorgesehen – ob dieses Ziel gehalten werden kann, ist aufgrund des Fachkräftemangels und des verkomplizierten deutschen Sonderwegs bei der Umsetzung ungewiss. Sämtliche Prozesse müssen hier dringend auf den Prüfstand.
Auch die Sektorenkopplung ist ein wichtiger Hebel, um überschüssigen Strom sinnvoll zu nutzen. Es ist ineffizient, die Stromproduktion aufgrund eines Überangebots schlicht abzuregeln. Stattdessen sollten wir in Alternativen investieren, mit denen der Strom primär für andere Anwendungen genutzt werden kann. Prozesse wie die Treibstoffherstellung, Wasserstoffproduktion, sowie die Speicherung in stationären Batterien, saisonalen Speichern oder mobilen Fahrzeugbatterien können mit der überschüssigen Energie angestoßen werden. Eine Flexibilisierung der Einspeiseregelungen wird hier Abhilfe schaffen und dazu führen, dass weniger Strom ungenutzt bleibt.
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Dr. Maria-Lena Weiss (CDU) - Bild: Michael Kienzler
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Lars Rohwer (CDU) - Bild: Elisabeth Robock
Die beiden Autoren sind Mitglieder des Deutschen Bundestages und dort Teil der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Maria-Lena Weiss ist Mitglied im Ausschuss für Klimaschutz und Energie und stammt aus dem Wahlkreis Rottweil – Tuttlingen. Lars Rohwer begleitet das Thema als Mitglied des Ausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen und vertritt den Wahlkreis Dresden II – Bautzen II