In den Unternehmen am Chemiestandort Leuna gibt es derzeit keine Planungen, die Produktionen angesichts des Ukraine-Kriegs einzustellen. «Das ist uns das Wichtigste», sagte der Geschäftsführer der Infrastrukturgesellschaft Infraleuna, Christof Günther. In Leuna sind rund 100 Unternehmen ansässig, die 12.000 Menschen beschäftigen. Dazu gehört die TotalEnergies Raffinerie Mitteldeutschland GmbH. Der französische Mineralölkonzern hatte angekündigt, kein russisches Erdöl mehr kaufen zu wollen, stattdessen auf internationalen Märkten. Dies hatte für Aufsehen und Verunsicherung am Standort gesorgt.
Die Leuna-Raffinerie verarbeitet bisher zwölf Millionen Tonnen Rohöl aus Russland pro Jahr, um daraus Kraftstoffe wie Benzin und Diesel sowie chemische Grundstoffe wie Methanol herzustellen. Günther zufolge sind am gesamten Standort Leuna indes zahlreiche Investitionsprojekte in Arbeit. «Das sind Anlagen, die Maßstäbe für die Zukunft der chemischen Industrie setzen werden, sowohl für die Rohstoffbasis als auch in den Technologien», sagte er. «Da sind wir schon sehr weit, aber fossile Rohstoffe wie Gas und Öl kann man nicht kurzfristig ersetzen», sagte Günther. Der Manager ist energiepolitischer Sprecher des Branchenverbandes Nordostchemie.
Zu den Großprojekten in Leuna gehört den Angaben zufolge der Neubau einer Bioraffinerie, die auf der Basis von Holz arbeiten wird. Leuna habe sich im internationalen Wettbewerb um den Neubau der rund 550 Millionen teuren Anlage des finnischen Konzerns UPM (Helsinki) durchgesetzt, betonte Günther. Zudem setze der Standort langfristig auch auf die Produktion von sogenanntem grünen Wasserstoff als Energiequelle. Die Fraunhofer Gesellschaft forscht dazu in Leuna, und die Firma Linder errichtet den Angaben zufolge den weltweit größten Elektrolyseur.
Investoren aus dem In- und Ausland haben sich nach 1990 auf saniertem Industriegelände des Ex-Chemiekombinats angesiedelt.
Im Zeitraum zwischen 2014 und 2022/2023 würden insgesamt weitere rund 2,2 Milliarden Euro am Standort Leuna investiert, seit 1990 waren es 9 Milliarden Euro, mit Hilfe von Bund, Land und EU und aus dem Wachstum der ansässigen Firmen heraus. Die Chemiebranche gilt in ihren Rohstoff- und Produktionsketten als eng miteinander verflochten. In Ostdeutschland wird sie vertreten durch den Verband Nordostchemie.
Die Branche mit gut 54.000 Beschäftigten gilt als Vorzeigebranche des Wandels von einer maroden Planwirtschaft zur wettbewerbsfähigen Industrie. «Das darf nicht infrage gestellt werden. Im Ukraine-Konflikt muss es möglichst schnell eine friedliche Lösung geben», betonte der Infraleuna-Chef. Das Unternehmen ist Eigentümer und Betreiber des 1300 Hektar großen Chemiestandorts, einem der flächenmäßig größten in Deutschland. Die Firma, 1996 gegründet, stellt Dienstleistungen für die Produktion bereit. Dazu gehören Energie per Gaskraftwerk, die Werksfeuerwehr und ein ärztlicher Dienst.
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