Kurz vor Ende der Legislaturperiode hat der Bundestag am 30. Januar 2025 das „Sechste Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR“ verabschiedet. Die Gesetzesnovelle bringt umfassende Verbesserungen für SED-Opfer und wird von Aufarbeitungsbeauftragten und Opferverbänden als bedeutender Fortschritt gewertet.
Dr. Nancy Aris, die Sächsische Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, begrüßte die Änderungen als „Paradigmenwechsel im Umgang mit SED-Unrecht“. Sie betont, dass der Bundestag damit bestehende Gerechtigkeitslücken schließt und den Opfern nicht nur finanzielle Unterstützung, sondern auch gesellschaftliche Anerkennung zuspricht.
Erhöhung der SED-Opferrente und Abschaffung der Bedürftigkeitsprüfung
Ein zentrales Element des neuen Gesetzes ist die Erhöhung der SED-Opferrente von bisher 330 Euro auf 400 Euro. Ab 2026 wird sie zudem dynamisch an den aktuellen Rentenwert angepasst. Besonders bedeutend ist die Abschaffung der Bedürftigkeitsprüfung: Bisher mussten Betroffene ihre finanzielle Lage nachweisen, um die Rente oder Unterstützungsleistungen zu erhalten – das entfällt nun vollständig. „Aus dem Almosen wird ein Zeichen der Anerkennung“, so Aris.
Auch für Familienangehörige gibt es Verbesserungen: Zwar bleibt die SED-Opferrente nicht vererbbar, jedoch müssen Behörden künftig Angehörige über mögliche Unterstützungsleistungen informieren.
Mehr Unterstützung für beruflich Verfolgte
Beruflich Verfolgte profitieren ebenfalls von deutlichen Verbesserungen:
- Die Ausgleichsleistungen steigen von 240 Euro auf 291 Euro und werden ab 2026 dynamisiert.
- Die bisherige Kürzung der Leistungen bei Renteneintritt entfällt.
- Die Bedürftigkeitsprüfung bleibt bestehen, aber das Einkommen des Partners wird nicht mehr angerechnet.
- Die Mindestdauer der Verfolgung für einen Anspruch auf Ausgleichsleistungen sinkt von drei auf zwei Jahre.
Erleichterte Anerkennung von Gesundheitsschäden
Eine langjährige Forderung der Opferverbände wurde mit einer neuen Vermutungsregelung umgesetzt: Bestimmte gesundheitliche Schäden, die in direktem Zusammenhang mit politischer Verfolgung stehen, werden künftig automatisch anerkannt, ohne dass Betroffene langwierige Nachweise erbringen müssen. Welche Schäden darunterfallen, wird auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse durch eine Rechtsverordnung festgelegt.
Weitere Gerechtigkeitslücken geschlossen
Das Gesetz bringt weitere bedeutende Änderungen mit sich:
- Erneutes Antragsrecht: Wer bereits eine strafrechtliche Rehabilitierung beantragt hatte, kann bei einer Änderung der Gesetzeslage erneut einen Antrag stellen.
- Anerkennung von Zersetzungsmaßnahmen außerhalb der DDR: Erstmals werden auch Opfer von Stasi-Maßnahmen im westlichen Ausland oder der Bundesrepublik Deutschland entschädigt.
- Einmalzahlung für Zwangsausgesiedelte: Betroffene erhalten eine Einmalzahlung von 7.500 Euro, unabhängig von bereits gezahlten Entschädigungen.
- Härtefallfonds für bedürftige SED-Opfer
Zudem wird ein bundesweiter Härtefallfonds eingerichtet, der wirtschaftlich bedürftige SED-Opfer unterstützen soll. Der Fonds wird bei der „Stiftung für ehemalige politisch Verfolgte“ angesiedelt. Einen gesetzlichen Anspruch auf diese Leistungen gibt es jedoch nicht.
Informationsveranstaltungen und Beratungsangebote
Damit die Neuerungen schnell bei den Betroffenen ankommen, wird die Sächsische Landesbeauftragte für die Aufarbeitung der SED-Diktatur die Änderungen ab März 2025 bei ihren überregionalen Beratungstagen vorstellen. Zusätzlich findet am 13. Februar 2025 eine Informationsveranstaltung für Berater und Multiplikatoren statt.
Dr. Nancy Aris betont: „Jetzt kommt es darauf an, die Gesetzesänderungen gut umzusetzen. Wir werden alles tun, um die Betroffenen über ihre neuen Möglichkeiten aufzuklären und ihnen zu helfen, ihre Ansprüche geltend zu machen.“