Ein niederländischer Kunsthändler hat einem Landsmann ein seit dem Zweiten Weltkrieg verlorenes Werk der Dresdner Gemäldegalerie Alte Meister abgekauft und Sachsen zum Geschenk gemacht. «Hier, im Heiligtum der Kunst, ist es, wo Landschaft seit 300 Jahren hingehört», sagte Willem Jan Hoogsteder aus Den Haag am Montag bei der feierlichen Übergabe der «Campagna-Landschaft» des niederländischen Malers Jan Baptist Weenix (1621-1660) im Semperbau am Zwinger - vor dem berühmtesten der Dresdner Gemälde «Die Sixtinische Madonna».
Eine mit Krieg und Zerstörung verbundene Geschichte finde «ein glückliches Ende», sagte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Sie sei durch die Förderung von Kunst und Kultur hauptsächlich privater Mäzene sowie enge Freundschaft, Zusammenarbeit und Kulturaustausch mit den Nachbarn möglich geworden. Das zeige, dass «Verbundenheit in Frieden, Freiheit und Freundschaft in Europa» wichtig sei. «Es ist unser europäisches Erbe.»
«Die Schenkung ist ein Provenienzkrimi», berichtete Ronald van Roeden, Botschafter des Königreichs der Niederlande. Ohne das bestehende Vertrauen und die Expertise in beiden Ländern sei so etwas nicht denkbar. Zwei Dinge hätten zudem eine Rolle gespielt: die Überzeugung, «dass das Gemälde hierhin gehört und das Vertrauen, dass es hier in den besten Händen ist». Bei einem solchen Kunstwerk, das vermutlich in der Zeit sowjetischer Besatzung entwendet worden sei, gebe es keine politische Handhabe zur Rückgewinnung, nur Zusammenarbeit und privates Engagement. Kunst und Kultur seien in Kriegs- und Krisenzeiten besonders gefährdet, der Einsatz für deren Erhalt und Zugänglichkeit sei umso wichtiger, sagte der Botschafter.
Weenix' Landschaft befand sich seit der Erwerbung 1747 in Dresdens Königlicher Gemäldesammlung. Ab 1937 war das Werk nach Chemnitz verliehen, im Zweiten Weltkrieg ins Erzgebirge ausgelagert. «Dann wurde es von einem russischen General gestohlen», sagte Hoogsteder. 1984 kaufte es sein Vater bei einer Auktion von Christie's in New York. «Es wurde noch zwei Mal versteigert.» Obwohl das Bild 1963 als vermisst gemeldet worden sei, habe es nie jemand mit dem Dresdner Gemälde in Verbindung gebracht, trotz der alten Inventarnummer 3105. Das und auch wann und wie das Bild in die USA gelangt sei, sei nicht bekannt. 2022 habe sich ein Niederländer gemeldet und gefragt, ob er es verkaufen könne, erzählte Hoogsteder. Bei der nun üblichen Provenienzrecherche sei der Zusammenhang klar geworden.
Marion Ackermann, Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD), sprach von einem «einerseits einzigartigen und andererseits exemplarischen Modellfall». Nach ihren Angaben vermissen die SKD noch knapp 6000 Objekte aus ihren Museen, bisher kehrten knapp 650 Kriegsverluste zurück, darunter 73 Gemälde im Zuge von Rückgaben, -käufen oder Schenkungen. Allein 407 Gemälde werden noch vermisst. Die SKD wiederum haben bisher 5794 Objekte zurückgegeben, die ihnen nicht gehören, darunter NS-Raubkunst.
Die «Campagna-Landschaft» ist ab Dienstag und für ein Jahr am alten Ort zu sehen - zusammen mit zwei weiteren, in jüngster Vergangenheit zurückgekehrten Kriegsverlusten. Dabei handelt es sich um Werke des Deutschen Balthasar Denner (1685-1749) und des Italieners Vincenzo Spisanelli (1595−1662). Das eine war kürzlich im deutschen Kunsthandel aufgetaucht und dann eindeutig identifiziert worden, der Besitzer des anderen hatte sich 2022 bei den SKD gemeldet - die sich gütlich mit dem Dänen auf eine Rückgabe einigten.
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