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Brombeer-Koalitionen und die Rolle des BSW: Entscheidungen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg

Das Bündnis Sahra Wagenknecht schaffte nicht nur in Thüringen, sondern auch in Sachsen und Brandenburg aus dem Stand gute Ergebnisse - und redet nun mit. (Archivbild) / Foto: Hannes P Albert/dpa
Das Bündnis Sahra Wagenknecht schaffte nicht nur in Thüringen, sondern auch in Sachsen und Brandenburg aus dem Stand gute Ergebnisse - und redet nun mit. (Archivbild) / Foto: Hannes P Albert/dpa

In Thüringen, Sachsen und Brandenburg haben die Wähler entschieden: Ohne das neue Bündnis Sahra Wagenknecht keine realistische Koalition gegen die AfD. Bald wird klar werden, ob die «Brombeere» reift.

Bei der Regierungsbildung in Thüringen, Sachsen und Brandenburg stehen wichtige Entscheidungen an. In allen drei Ländern suchen CDU und SPD Koalitionen ohne die AfD - in allen drei Ländern spielt das Bündnis Sahra Wagenknecht die entscheidende Rolle. Sogenannte Brombeer-Koalitionen wären für die Republik etwas völlig Neues. Wagen CDU, SPD und BSW den nächsten Schritt? Am Freitag wollen sich die Gesprächspartner in Thüringen äußern. Auch in Sachsen beraten die Parteigremien, wie es weitergeht.

BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht hält sich nach wie vor bedeckt. Mal klingt sie zuversichtlicher, mal setzt sie Spitzen gegen die möglichen Partner. So sagte Wagenknecht zuletzt im Deutschlandfunk, nach den Wahlen vom September habe sie noch das Gefühl gehabt, CDU und SPD hätten die Ergebnisse verstanden. Nun habe sie den Eindruck, die Parteien wollten weitermachen wie bisher. Doch wollten die Wählerinnen und Wähler «Veränderung». CDU und SPD müssten sich bewegen, ist Wagenknechts Botschaft. Sonst gehe das BSW eben in die Opposition.

In allen Ländern ähnlich sind ihre Forderungen. Für das BSW geht es um zusätzliche Lehrer, Corona-Aufarbeitung und Eindämmung von Migration. Vor allem aber will Wagenknecht in Koalitionsverträgen das Ziel diplomatischer Bemühungen für ein Ende des Ukraine-Kriegs und eine Absage an die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen. Für CDU und SPD in allen drei Ländern ist das eine hohe Hürde. Trotzdem ist die Ausgangslage unterschiedlich. 

In Sachsen muss man sich erst kennenlernen

Koalitionsverhandlungen sind in der parlamentarischen Demokratie das Mittel der Wahl. Sondierungen werden manchmal vorgeschaltet. In Sachsen aber ging man es nach der Landtagswahl vom 1. September noch vorsichtiger an: Die potenziellen Partner CDU, BSW und SPD beraumten zunächst «Kennenlerngespräche» an. Nach mehreren Runden sollen nun die Parteigremien über eine Sondierung entscheiden. 

Die dürften nach Lage der Dinge nicht allzu lange dauern, da schon während der Kennenlernphase Unterhändler an Papieren arbeiteten, wie es hieß. Trotzdem bleiben starke Vorbehalte in der CDU gegenüber dem BSW. Frühere CDU-Funktionäre aus dem Leipziger Raum hatten für einen Dialog mit der AfD geworben, die in Sachsen knapp hinter der CDU auf Platz zwei landete. Auch Forderungen nach einer Minderheitsregierung gibt es. 

Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hält davon nichts. Er will den Pakt mit BSW und SPD. Zusammen mit CDU-Landeschef Mario Voigt aus Thüringen und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) signalisierte Kretschmer in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» Zugeständnisse hin zu Wagenknechts außenpolitischen Forderungen.

In Thüringen geht es um Koalitionsverhandlungen

In Thüringen ist man offiziell einen Schritt weiter als im Nachbarland. Hier haben CDU, BSW und SPD bereits ihre Sondierungsgespräche abgeschlossen und ein Papier erarbeitet. Auf dieser Grundlage sollen Gremien der drei Parteien am Freitag und Samstag über Koalitionsverhandlungen entscheiden. 

Nach Angaben der Parteispitzen verliefen die Gespräche, bei denen es um alle wichtigen Politikfelder von Finanzen, Wirtschaft, Bildung bis Migration ging, recht vertrauensvoll und ernsthaft. Doch es gab auch Misstöne. Die SPD übte Kritik an dem «FAZ»-Beitrag, den Voigt als Ministerpräsident in spe mitgetragen hatte. Krisentreffen mussten die Wogen glätten. 

In Erfurt wäre eine Koalition mit der neuen Partei um BSW-Landeschefin Katja Wolf nicht nur ein politisches Experiment. Sie hätte mit 44 von 88 Sitzen im Landtag auch keine eigene Mehrheit. Die AfD war bei der Landtagswahl erstmals in Deutschland stärkste Partei geworden, deutlich vor der CDU. Sollten die Brombeer-Partner zusammenfinden, bräuchten sie zusätzlich Stimmen der Linken, um ohne die AfD Beschlüsse durchzusetzen.

In Brandenburg ist man vielleicht näher am Ziel

Die Lage im Potsdamer Landtag ist etwas einfacher. Die SPD von Ministerpräsident Woidke hätte mit dem BSW eine Mehrheit. Es wäre also keine Brombeer-Koalition, sondern Rot-Lila. Wagenknecht spricht davon, dass diese Zweier-Konstellation im Vergleich zu Sachsen oder Thüringen womöglich etwas einfacher sei. BSW-Landeschef Robert Crumbach war vor seinem Wechsel jahrzehntelang bei der SPD. Das heißt, er kennt sich gut aus, muss aber andererseits auf Abgrenzung und eigenes Profil bedacht sein.

Auch in Brandenburg laufen schon länger Sondierungen. Der nächste Schritt wäre auch hier die Entscheidung über Koalitionsverhandlungen. Was auffällt: Bisher dringen fast nur positive Einschätzungen nach außen. Über Inhalte wurde zwar Stillschweigen vereinbart. Ministerpräsident Woidke sagte aber, die Gespräche seien bis jetzt erfolgversprechend verlaufen. BSW-Landeschef Crumbach sprach von «guten Gesprächen» bisher. Manchmal seien sie aber schwierig. 

Wird das was werden?

Der Elefant im Raum sind die außenpolitischen Forderungen des BSW. SPD-Mann Woidke ist für eine militärische Unterstützung der Ukraine - was Wagenknechts Vorgaben widerspricht. An denen stört sich auch CDU-Bundeschef Friedrich Merz gewaltig. «Frau Wagenknecht hat zu akzeptieren, dass es Entscheidungen gibt, die unumstößlich sind», sagte Merz zuletzt. Das seien die Westbindung und die Nato-Mitgliedschaft. Darauf reagierte Wagenknecht pikiert und beschwerte sich, dass Merz seinen Verhandlern auf Landesebene Vorgaben mache. 

Doch wird auch Wagenknecht unterstellt, dass sie bei der Regierungsbildung in den drei Ländern selbst die Zügel führt. Sie werde nicht alleine entscheiden, «sondern mir ist ja auch wichtig, wie das in dem Land gesehen wird», sagte sie diese Woche. Für jedes Land werde einzeln abgewogen. Sachsens BSW-Chefin Sabine Zimmermann betont, es gebe weder eine Standleitung nach Berlin, noch sitze Wagenknechts Ehemann Oskar Lafontaine im Hintergrund. Man verhandele autonom, ein Vetorecht Wagenknechts gebe es nicht: «Ich wüsste nicht, warum.»

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