In der Warschauer Kabine hämmerten die Bässe zum neuen Ohrwurm «Leipzig on fire», auf dem Nachtflug in die Heimat ging die Party mit dem Geburtstag von Kapitän Willi Orban weiter. Die Laune bei RB Leipzig ist nach dem Einzug ins Achtelfinale der Champions League mehr als prächtig. Zehn Spiele nacheinander ist das Team ungeschlagen, in Königsklasse sowie Pokal noch dabei und in der Fußball-Bundesliga auf dem Weg nach oben. «Qualität haben wir immer. Jetzt haben wir Mentalität, Leidenschaft und Einstellung auf dem Platz. Da kommt alles zusammen», sagte Spielmacher Emil Forsberg.
Den Auslöser für die Freisetzung der Extra-Prozente nannte der schwedische Nationalspieler auch gleich: «Das liegt viel am Trainer. Er ist gekommen, hat uns viel gepusht, nimmt uns jeden Tag im Training mit. Dann kommst du in Schwung und wir folgen ihm.» Als Marco Rose vor knapp zwei Monaten seine Stelle in Leipzig antrat, sah die Welt deutlich düsterer aus. Die Euphorie des Pokalsiegs war gnadenlos verpufft, Coach Domenico Tedesco hatte keine Lösungen mehr und musste gehen.
Für Rose war das Ja-Wort zu Leipzig nicht selbstverständlich. Schließlich ging es um einen Job in seiner Heimatstadt. Gedanken an die Tochter, die nach Niederlagen in der Schule womöglich gemobbt werden könnte, schossen dem 46-Jährigen durch den Kopf. Letztlich überwog in Roses Analyse das Positive und er unterschrieb einen Vertrag bis Sommer 2024. Das Zwischenfazit nach acht Wochen: Mit dem Coach hat Leipzig einen Volltreffer gelandet.
Rose ist es in kurzer Zeit gelungen, diverse Baustellen in der Mannschaft zu schließen. Er trieb Feingeistern wie Dominik Szoboszlai die Egoismen aus, verpasste der Mannschaft einen deutlich intensiveren und aktiveren Spielstil. In Wettbewerbs-übergreifend 13 Spielen holte Leipzig im Schnitt 2,23 Punkte. Beschränkt auf die Bundesliga wäre dies eine fast schon meisterliche Bilanz. Neunmal ging RB in diesen Spielen in Führung und jeweils als Sieger vom Platz.
Hinzu kommt, dass der Trainer sich belehren lässt. Wie im Fall Christopher Nkunku. «Er hat mir auf die Sprünge geholfen», erklärte Rose. «In den ersten beiden Spielen hat er links offensiv gespielt. Dann kam er zu mir und hat gesagt, er muss näher zum Tor, weil er sich dort wohler fühlt. Er hat dann gleich getroffen, und das macht dann auch den Trainer froh, den Rat seines Spielers angenommen zu haben.» Der französische Nationalspieler schoss auch beim 4:0 gegen Schachtjor Donezk das wichtige erste Tor.
Rose gibt sich nach außen hin meistens gelassen. Nach dem Erreichen des Achtelfinales der Champions League und dem damit verbundenen Haken am ersten Saisonziel, gewährte er einen kleinen Einblick in seine Gefühlswelt. «Ich bin verantwortlich für das große Ganze und bin natürlich ein Stück weit erleichtert, dass es so läuft», sagte Rose. Doch dafür seien viele Menschen verantwortlich, bei denen er sich bedanken wolle.
Am Ziel ist Rose noch lange nicht. Irgendwann will er es seinem Vorgänger Tedesco gleichtun und einen großen Titel gewinnen. «Ich möchte, dass wir uns weiterentwickeln, besser werden, schärfer werden, ein absolutes Spitzenteam werden, das immer auf den Punkt da ist. Das ist eine große Herausforderung», sagte Rose. Aktuell ist man geneigt, diese Herausforderung nicht als unmöglich zu bezeichnen.
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