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Virologen listen Versäumnisse der Corona-Pandemie auf

Der Virologe Detlev Müller zweifelt am Sinn mancher Corona-Schutzmaßnahmen. (Archivbild) / Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa
Der Virologe Detlev Müller zweifelt am Sinn mancher Corona-Schutzmaßnahmen. (Archivbild) / Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa

In Sachsen beschäftigt sich auch ein Untersuchungsausschuss des Landtages mit der Aufarbeitung der Corona-Pandemie. Dort werden auch prominente Virologen befragt.

Zwei namhafte Virologen haben der Politik Versäumnisse in der Corona-Pandemie vorgehalten. Alexander Kekulè, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie der Universität Halle-Wittenberg, sparte bei seiner Vernehmung im Corona-Untersuchungsausschuss des Sächsischen Landtages vor allem nicht mit Kritik an der eigenen Zunft. Er warb dafür, als ersten Schritt zu einer Befriedung Schuld einzugestehen. Für viele Politiker und Wissenschaftler scheine das aber schwer zu sein.

Impfpflicht ein Fehler und Kommunikation mangelhaft

Kekulé kritisierte vor allem die Impfpflicht und die Kommunikation. In einer Krise sei es unverzichtbar, eine Kultur zu haben, in der sämtliche Entscheidungen begründet würden. Die Bevölkerung müsse verstehen, worum es gehe - Bürger seien klug genug zu begreifen, warum man welche Maßnahmen mache. 

Doch viele Anordnungen seien widersprüchlich gewesen. Damit sei ein Grundvertrauen zum Teil verloren gegangen. «Das müssen wir bis zur nächsten Krise wieder aufbauen.» Das sei ein langer Weg. «Am besten fangen wir gleich damit an.»

Kommunikation spielte Impfgegnern in die Hände

Nach Darstellung von Kekulé gab es schon beim Auftauchen der Delta-Variante des Virus kein Argument mehr für eine Impfpflicht. Das Versprechen einer Herdenimmunität durch Impfung sei unrealistisch gewesen, die Impfstrategie der Bundesregierung nicht aufgegangen. 

Auch Geimpfte hätten erheblich zum Infektionsgeschehen beigetragen. Die Bevölkerung habe das Gefühl gehabt, Maß und Mitte seien verloren gegangen. Die Kommunikation des Bundesgesundheitsministeriums habe Impfgegnern in die Hände gespielt. 

Bundesregierung hat sich nur auf wenige Berater gestützt

Laut Kekulé war es ein Fehler, dass sich die Bundesregierung nur auf wenige Berater stützte. Es habe «nicht vertretbare Fehlbeurteilungen» aus der Wissenschaft gegeben. Es gehe nicht darum, Vorwürfe zu machen, sondern den wissenschaftlichen Prozess mit Blick auf eine künftige Pandemie zu verbessern. 

Fachliche Expertise politischem Willen untergeordnet

Der Virologe Detlev Krüger plädierte für mehr Unabhängigkeit des Robert Koch-Institutes (RKI). Fachliche Expertise sei dem politischen Willen des Bundesgesundheitsministeriums untergeordnet worden. Die Politik sollte sich immer über ein breites Spektrum von Meinungen informieren und von sinnvoll zusammengesetzten Gremien beraten lassen, aber nicht einseitig. Er habe damals auch eine Einseitigkeit in der Informationspolitik wahrgenommen. Es sei falsch gewesen, Ungeimpfte als «böse Menschen» darzustellen: «So kann man in einer demokratischen Gesellschaft nicht miteinander umgehen.»

Sinn mancher Schutzmaßnahmen zweifelhaft

Wie Kekulé zweifelte auch Krüger den Sinn mancher Schutzmaßnahmen an. Man habe schon im Laufe des Jahres 2020 gewusst, dass Kinder keine Risikogruppe seien, sagte er. Auch als sich das Virus bereits verselbstständigt habe, seien die Gesundheitsbehörden bei der Kontaktverfolgung dem Virus «sinnfrei» hinterhergelaufen und hätten so Kapazitäten für andere Dinge vergeudet. Eine solche Maßnahme mache nur in der Anfangsphase Sinn.

Krüger, der mehr als 20 Jahre lang das Institut für Virologie an der Berliner Charité geleitet hatte, war zum Zeitpunkt der Corona-Pandemie bereits im Ruhestand. 

Laut Krüger war es falsch, ungeimpfte Menschen als Pandemietreiber zu bezeichnen. «Eine Epidemie lässt sich nur eindämmen, indem der Großteil der Bevölkerung immun wird.» Die schnell bereitgestellte Impfung sei eine großartige Sache gewesen, man hätte sie aber nicht als Allheilmittel ohne Nebenwirkungen darstellen dürfen. Das habe sie bei einem Teil der Bevölkerung in Verruf gebracht. 

Der Untersuchungsausschuss war auf Betreiben der AfD-Fraktion eingesetzt worden. Er soll die Arbeit der sächsischen Regierung im Zusammenhang mit dem Coronavirus im Zeitraum von 2019 bis 2024 kritisch prüfen. AfD-Fraktionschef Jörg Urban hatte der Regierung bereits im Vorfeld «schwerwiegende Grundrechtsverletzungen» unterstellt. Seit Beginn der Pandemie kamen in Sachsen rund 17.750 Menschen durch Covid-19 ums Leben.

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