Die Bundestagswahl 2025 steht vor der Tür, und Deutschland steht vor gewaltigen Herausforderungen: eine schwächelnde Wirtschaft, steigende Staatsausgaben und eine Gesellschaft, die dringend Perspektiven braucht. Wirtschaftliche Kompetenz wird das zentrale Thema sein müssen, denn all die geplanten Vorhaben lassen sich nur durch einen wirtschaftlichen Aufschwung finanzieren. Mit Friedrich Merz hat die CDU einen Kanzlerkandidaten aufgestellt, der genau hier seine Stärke sieht.
Olaf Scholz dagegen will Merz in diesem Punkt angreifen. Der CDU-Kandidat, so Scholz, sei ein Vertreter der Finanzelite, der durch sein Engagement bei BlackRock dem Kapital näher stehe als den sozialen Interessen der Bürgerinnen und Bürger. Doch diese Kritik droht ins Leere zu laufen. Mit Jörg Kukies hat Scholz selbst einen ehemaligen Goldman-Sachs-Manager zum Finanzminister gemacht – und damit eine Personalentscheidung getroffen, die den Angriff auf Merz nicht nur erschwert, sondern ihn regelrecht adelt.
Die Botschaft ist widersprüchlich: Scholz setzt mit Kukies auf wirtschaftliche Kompetenz und Finanz-Know-how, dieselben Eigenschaften, die er bei Merz zu diskreditieren versucht. Wenn Scholz jetzt mit dem mahnenden Finger auf Merz zeigt, bleibt die Frage: Zeigen nicht gleichzeitig drei Finger seiner eigenen Hand auf ihn selbst?
Deutschland sucht den Wirtschaftskanzler
Die wirtschaftliche Lage Deutschlands ist besorgniserregend. Nach Jahren der Krisenbewältigung – von Corona über den Ukrainekrieg bis hin zur Energiekrise – steht das Land vor einem ökonomischen Umbruch. Die Deindustrialisierung schreitet voran, das Wachstum stockt, und die internationale Wettbewerbsfähigkeit nimmt ab. Die Bürgerinnen und Bürger spüren die Unsicherheit: Inflation, steigende Lebenshaltungskosten und Sorgen um die Altersvorsorge dominieren die öffentliche Debatte.
In dieser Situation sehnen sich viele nach einer Führungspersönlichkeit, die wirtschaftliche Kompetenz und Reformwillen vereint. Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender und Kanzlerkandidat, bringt diese Qualifikationen mit. Als ehemaliger Aufsichtsratschef von BlackRock Deutschland verkörpert er das Image des Managers, der den Kurs korrigieren kann. Seine Agenda ist klar: wirtschaftliche Stabilität und ein Ende der Dauerkrisenpolitik.
Doch anstatt Merz als Vertreter des Finanzkapitalismus zu entlarven, hat Olaf Scholz ihm durch die Ernennung von Jörg Kukies eine Steilvorlage geliefert.
Kukies und Merz: Zwei Seiten derselben Medaille
Jörg Kukies ist kein Unbekannter. Der frühere Deutschland-Chef von Goldman Sachs hat sich in Berlin als Strippenzieher etabliert, zunächst als Staatssekretär im Finanzministerium, später als Berater von Olaf Scholz im Kanzleramt. Er gilt als effizienter Krisenmanager, doch seine Nähe zur globalen Finanzwelt ist unübersehbar. Genau diese Nähe wollte die SPD im Wahlkampf eigentlich gegen Friedrich Merz ins Feld führen. Schließlich hat die SPD in der Vergangenheit nie davor zurückgeschreckt, Konzerne wie BlackRock als „Heuschrecken“ zu brandmarken.
Doch jetzt stellt sich die Frage: Wie will Scholz Merz als Vertreter der Finanzelite angreifen, wenn er selbst einen ehemaligen Investmentbanker zum Finanzminister macht? Mit der Ernennung von Kukies verliert Scholz nicht nur an Glaubwürdigkeit, sondern adelt Merz als einen Kandidaten, der Wirtschaftskompetenz mitbringt – eine Qualität, die Deutschland derzeit dringend braucht.
Merz: Der Manager für Deutschland?
Friedrich Merz verkörpert das Bild des Wirtschaftskanzlers. Seit seiner Rückkehr in die Politik hat er unermüdlich daran gearbeitet, sich als Reformator und Problemlöser zu präsentieren. Er spricht die unangenehmen Wahrheiten an, die viele nicht hören wollen – etwa die Notwendigkeit, den Sozialstaat zu überdenken und die Rente nachhaltig zu sichern. Diese Direktheit polarisiert, aber sie signalisiert auch Führungsstärke.
Merz hat jedoch auch Schwächen. Seine Vergangenheit bei BlackRock bleibt ein Angriffspunkt, ebenso wie sein Fokus auf ökonomische Themen zulasten sozialer Sicherheit. Doch mit der Ernennung von Kukies hat Scholz ihm eine wertvolle Verteidigungslinie geliefert: Wenn ein Ex-Banker geeignet ist, Deutschlands Finanzen zu managen, warum dann nicht ein Ex-BlackRock-Manager als Kanzler?
Scholz’ Strategiefehler: Ein Bärendienst für die SPD
Mit Kukies wollte Scholz Stärke und Kompetenz demonstrieren. Doch dieser Schachzug zeigt, wie schwer sich die SPD tut, ein einheitliches Wahlkampfnarrativ zu finden. Einerseits möchte Scholz Wirtschaftskompetenz ausstrahlen, andererseits sozialdemokratische Werte wie Gerechtigkeit und Solidarität betonen. Kukies passt in dieses Bild nur schwer.
Für die SPD ist die Konsequenz fatal: Der linke Flügel fühlt sich durch die Nähe zur Finanzwelt entfremdet, und zugleich wird es nahezu unmöglich, Merz glaubhaft als „Kalten Kapitalisten“ darzustellen. Statt sich klar gegen die CDU abzugrenzen, verwässert Scholz die Botschaft seiner eigenen Kampagne.
Deutschland braucht Klarheit – und Mut zur Führung
Die Bundestagswahl 2025 wird ein Richtungsentscheid. Es geht um die Frage, wer Deutschland aus der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krise führen kann. Scholz hat als Kanzler seine Kompetenz in der Krisenbewältigung bewiesen, doch sein Wahlkampf wirkt widersprüchlich und defensiv. Mit der Ernennung von Kukies hat er sich unnötig angreifbar gemacht und Friedrich Merz ungewollt gestärkt.
Merz hingegen wird sich im Wahlkampf als Kandidat des wirtschaftlichen Aufbruchs inszenieren. Doch auch er muss beweisen, dass er mehr ist als ein Manager: Kann er soziale Sicherheit und wirtschaftliche Stabilität miteinander vereinen? Kann er die Menschen hinter sich versammeln?
Ein Wahlkampf der Widersprüche
Die Ernennung von Jörg Kukies zeigt, wie sehr die politische Debatte 2025 von der Frage der Wirtschaftskompetenz geprägt ist. Scholz wollte mit Kukies ein Zeichen setzen, doch dieses Signal könnte zum Bumerang werden.
Ob die Deutschen tatsächlich einen Wirtschaftskanzler wollen oder ob sie sich am Ende für Kontinuität und Krisenbewältigung entscheiden, wird sich zeigen. Sicher ist nur: Olaf Scholz hat Friedrich Merz mit Kukies’ Ernennung einen unerwarteten Vorteil verschafft – und sich selbst seines wichtigsten Wahlkampfarguments beraubt.
Autor: Thomas Wolf
Quellen:
Manager Magazin
Fokus Online