Nach der Landtagswahl beginnt in Sachsen die Suche nach einer tragfähigen Regierungsmehrheit für die nächsten fünf Jahre. Ministerpräsident Michael Kretschmer, mit der CDU stärkste Kraft, schließt dabei eine Koalition mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) nicht aus. «Ich habe mir das nicht gewünscht, aber ich muss die Realitäten zur Kenntnis nehmen», sagte der CDU-Politiker am Morgen im Deutschlandfunk. Es müssten zum Wohle der Menschen in Sachsen Parteienideologien hinten angestellt werden, dann sei es möglich.
Wahlleiter korrigiert Ergebnis zur Sitzverteilung
Der Wahlleiter hat unterdessen das Ergebnis der sächsischen Landtagswahl korrigiert. Aufgrund eines Softwarefehlers sei eine falsche Sitzverteilung veröffentlicht worden, teilte die Landeswahlleitung mit. Demnach bekommen die Grünen und die SPD je einen Sitz mehr, die CDU und die AfD je einen Sitz weniger als zunächst angegeben. Nach dem korrigierten Ergebnis kommt die CDU auf 41 Mandate, die AfD auf 40. Das BSW hat 15 Sitze, die SPD 10, die Grünen 7. Die Linke hat 6 Mandate, die freien Wähler einen 1 Sitz. Im sächsischen Landtag gibt es insgesamt 120 Sitze. Die bisherige Koalition von CDU, Grünen und SPD hat trotz der Veränderung weiterhin keine Mehrheit im neuen Landtag.
AfD verliert Sperrminorität
Durch die Neuberechnung verliert die vom sächsischen Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestufte AfD die sogenannte Sperrminorität im Land. Mit Sperrminorität ist gemeint, dass eine Partei mehr als ein Drittel der Mandate im Landtag hat. Sie kann in diesem Fall bestimmte Landesgesetze, die mit einer Zweidrittelmehrheit aller Abgeordneten entschieden werden, verhindern. In Sachsen werden wie auch in anderen Bundesländern etwa Verfassungsrichter und die Spitze des Landesrechnungshofs mit Zweidrittelmehrheit aller Parlamentarier gewählt. Bestimmte Posten hätten dann also ohne AfD-Zustimmung nicht nachbesetzt werden können. Zudem hätte sie verhindern können, dass der Landtag sich selbst auflöst.
BSW-Bundesspitze sieht Schnittmengen mit sächsischer CDU
Die Co-Parteivorsitzende des BSW, Amira Mohamed Ali, hatte sogar Schnittmengen mit der sächsischen CDU unter Kretschmer gesehen. Bei der Frage nach der Beendigung der Waffenlieferungen in die Ukraine und der Ablehnung der Stationierung von US-Mittelstreckenraketen habe sie «ähnliche Signale von Michael Kretschmer wahrgenommen», sagte sie im ZDF-«Morgenmagazin». «Mal schauen, was die Sondierungen bringen».
Kretschmer widerspricht - Abwehrschirm sei notwendig
Kretschmer widersprach zumindest in dem Punkt mit den US-Raketen vehement. Europa und Deutschland müsse sich sicher aufstellen, sagte er am Morgen. «Da wir das in Europa und als Deutsche nicht alleine können, brauchen wir die Amerikaner dafür. An der Stationierung von Raketen, einem Abwehrschirm führt überhaupt nichts vorbei».
Vorläufiges Wahlergebnis
Nach dem vorläufigen Ergebnis wurde die CDU mit 31,9 Prozent der Stimmen erneut stärkste Kraft. Die AfD kam mit 30,6 Prozent auf Rang zwei. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) schaffte aus dem Stand 11,8 Prozent und dürfte bei der künftigen Regierungsbildung ein Wort mitreden. Die SPD erhielt 7,3 Prozent, die Grünen liegen bei 5,1 Prozent. Die Linken schafften es mit 4,5 Prozent nur in den Landtag, weil sie in Leipzig zwei Direktmandate holten - dann greift eine Klausel, wonach sie entsprechend ihrem Zweitstimmenergebnis ins Parlament einziehen, obwohl sie unter der Fünf-Prozent-Hürde lagen. Die Wahlbeteiligung betrug 74,4 Prozent.
Im Laufe des Tages wollen die Landesvorsitzenden und Generalsekretäre der Parteien in Dresden Stellung zum Wahlausgang beziehen. Auch in Berlin werden Spitzenkandidaten sich zum Ergebnis äußern. Für den Abend haben einige Parteien die ersten Vorstandsitzungen angesetzt.
Kretschmer: Regierungsbildung wird nicht einfach
«Das wird alles nicht einfach», sagte der amtierende Ministerpräsident Michael Kretschmer von der CDU bereits am Sonntag zur Suche nach einer neuen Koalition. «Aber eines gilt: Mit vielen Gesprächen und dem Willen, etwas für dieses Land zu tun, kann es gelingen, mit diesem Wahlergebnis Sachsen eine stabile Regierung zu geben, die dem Land dient und mit Demut vorangeht.»
Der sächsische AfD-Spitzenkandidat Jörg Urban kündigte an, den Druck auf eine künftige Landesregierung als Oppositionspartei weiter aufrechterhalten zu wollen. «Wir werden das machen, was wir die ganzen Jahre hier im sächsischen Landtag gemacht haben: Wir werden diese Regierung vor uns hertreiben.»
BSW will kein «Steigbügelhalter» für Ministerpräsidenten sein
Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) nannte das Ergebnis «historisch» und stellte klar, nicht als «Steigbügelhalter für den derzeitigen Ministerpräsidenten» zur Verfügung zu stehen. «Mit uns wird es nur einen Neustart geben. Wir werden nicht die Mehrheitsbeschaffer», sagte Parteivorsitzende Sabine Zimmermann mit Blick auf mögliche Koalitionsgespräche.
SPD-Chef Henning Homann bezeichnete das Ergebnis seiner Partei als Achtungserfolg. Nach den Umfragen hatte die SPD um ihren Wiedereinzug in den Landtag fürchten müssen. «Wir haben immer gesagt, uns geht es um Sachsen», betonte er. Die sächsische SPD wolle sich nicht in Diskussionen über bundes- oder weltpolitische Themen verlieren, sondern sich auf den Freistaat konzentrieren.
Nach Auffassung von Grünen-Chefin Christin Furtenbacher ist das Wahlergebnis nicht das, was die Menschen in Sachsen verdienten. Viele politische Kräfte hätten versucht, die Grünen mit aller Kraft niederzudrücken, sagte Fraktionsvorsitzende Franziska Schubert. «Was haben wir gemacht? Wir sind oben geblieben.»
Linke-Chef fordert grundlegenden Neuanfang seiner Partei
Vor allem den Linken steht eine gründliche Aufarbeitung des Ergebnisses bevor. Denn ohne die gewonnenen Direktmandate wären sie aus dem Landtag verschwunden - erstmals in einem ostdeutschen Landesparlament seit der Wende.
Landeschef Stefan Hartmann forderte einen grundlegenden Neuanfang der Partei. Mit ihrem Einzug in das Parlament über die Grundmandatsklausel sorgten die Linken dafür, dass ein Fortbestehen der aktuellen Koalition aus CDU, Grünen und SPD nicht mehr möglich ist - es sei denn, die Koalition wird von den Linken toleriert.
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