Der frühere sächsische CDU-Ministerpräsident und Ukraine-Berater Georg Milbradt sieht Deutschland im Kriegsfall nur unzureichend geschützt. Die Bundeswehr sei trotz der von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ausgerufenen Zeitenwende heute kaum besser als 2022 in der Lage, sich zu verteidigen, sagte der 79-Jährige im Interview der Chemnitzer «Freien Presse». «Es geht aber sowieso nicht nur um die Bereitstellung von Geld, wir müssen den Erwerb militärischer Fähigkeiten in den Fokus rücken.»
Bevölkerung in Deutschland nicht mehr gegen Luftangriffe geschützt
«Deutschland hat circa 300 Panzer, von denen wohl nur gut die Hälfte funktioniert. Die in Deutschland stationierten amerikanischen Streitkräfte haben 300 Panzer, die sofort einsatzfähig sind. 2011 entschied sich Deutschland für den Verzicht auf die Luftverteidigung. Die Zivilbevölkerung ist seitdem gegen Luftangriffe nicht mehr geschützt», erklärte Milbradt. Im Unterschied zur Ukraine seien viele Bunker- und Schutzanlagen seit 1990 hierzulande nahezu vollständig abgebaut worden.
Milbradt: Ukrainer fühlen sich verraten
Milbradt ist seit 2017 Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die Verwaltungsmodernisierung in der Ukraine. Das Vorgehen der US-Amerikaner in Bezug auf Verhandlungen mit Russland zur Beendigung des Krieges hält er für fatal. «Die Ukrainer fühlen sich verraten. Sie sind vor allem darüber geschockt, dass die möglichen ukrainischen Verhandlungsgegenstände schon vorweggenommen wurden: keine Sicherheitsgarantien durch die USA, kein Beitritt zur Nato, Verluste von Gebieten und Verhandlungen ohne sie.»
Ukrainer könnten sich enttäuscht vom Westen abwenden
Milbradt zufolge dürfen die Verhandlungen nicht auf eine mehr oder minder bedingungslose Kapitulation der Ukraine hinauslaufen. «Ich sehe zudem folgende Gefahr: Wenn die Ukrainer als Opfer der russischen Aggression von Amerika fallen gelassen werden, könnte aus ihrer bisherigen Zustimmung zum Westen schnell Verzweiflung und Enttäuschung werden. Auch für alle anderen Länder würde dann die Botschaft lauten: Es lohnt sich nicht, auf den Westen zu setzen, sondern lieber schon frühzeitig auf die russische Seite zu gehen.»
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