Die CDU sorgt mit widersprüchlichen Signalen an das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) für Verwirrung. Während Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) mit Zuversicht auf die weiteren Gespräche mit dem BSW und der SPD für eine gemeinsame Regierungskoalition blickt, sendet die CDU-Zentrale in Berlin anderslautende Botschaften. CDU-Chef Friedrich Merz hält Koalitionen mit dem BSW in Thüringen oder Sachsen nach eigenen Worten für «sehr, sehr, sehr unwahrscheinlich». Denkbar sei womöglich eine Duldung oder andere Formen der Zusammenarbeit, sagte er Merz am Donnerstagabend in Berlin.
Merz hält Koalitionen mit dem BSW für «sehr, sehr, sehr unwahrscheinlich»
Das BSW sei im Moment die Bewegung einer einzigen Frau, die weder in Thüringen noch in Sachsen in der Landespolitik aktiv sei, betonte Merz. Zu den BSW-Akteuren in den Ländern sagte er: «Ich weiß nicht, wie diese Leute ticken.» Deshalb habe er den CDU-Politikern in beiden Ländern gesagt, sie sollten mit dem BSW reden. Aber es gebe einen Punkt, den die CDU nicht mitmachen werde, nämlich wenn es um Positionen gegen Amerika und für Russland gehe. Merz hatte sich schon früher auf BSW-Chefin Sahra Wagenknecht eingeschossen. Sie sei «in einigen Themen rechtsextrem, in anderen wiederum linksextrem», hatte er im Juni gesagt und eine Zusammenarbeit mit dem BSW abgelehnt.
Kretschmer stimmt versöhnliche Töne an
Sachsens Ministerpräsident Kretschmer äußerte sich im Interview mit der Chemnitzer «Freien Presse» anders. «Wir haben nach diesem Wahlergebnis eine große Herausforderung. Ich möchte gern, dass wir die jetzt annehmen und nicht nur über Befürchtungen reden», sagte er. Die Alternative wäre eine Minderheitsregierung. «Der Unterschied ist: Bei einer Minderheitsregierung ist man jeden Tag in Verhandlungen. Bei jedem Thema, bei jedem Gesetz, bei jedem Haushalt, bei jedem kleinen Antrag beginnt die Diskussion aufs Neue. Das bindet unglaublich viel Kraft. Deswegen ist eine Koalition immer der bessere Weg.» Auch in Thüringen loten CDU, BSW und SPD eine Zusammenarbeit aus.
Zugleich stimmte Kretschmer, der im Wahlkampf Sahra Wagenknecht heftig attackiert hatte, versöhnliche Töne an. «Unterschiedliche Wahrnehmungen voneinander können sich nur ändern, wenn man miteinander ins Gespräch kommt. Deswegen habe ich das Gespräch gesucht», sagte er mit Blick auf eine zwischenzeitliche Begegnung mit Wagenknecht. Unterdessen traf sich die sächsische CDU-Spitze auch mit der BSW-Führungsriege im Freistaat. «Es ist noch zu früh, um eine Prognose abzugeben, ob das Ganze gelingen kann. Aber was ich schon sagen kann: Ich habe Menschen getroffen, die aus meiner Sicht sehr seriös und sehr positiv eingestellt sind», sagte Kretschmer.
Kretschmer: Ostdeutschland ist Seismograph
Kretschmer ging auch auf die Frage ein, ob ein Bündnis mit dem BSW fortan bundesweit ein Modell sein könnte. «Ostdeutschland ist ein Seismograph, so wie das in einer Gesellschaft auch junge Menschen sind. Vieles von dem, was wir hier erleben, wird mit einer zeitlichen Verzögerung für ganz Deutschland gelten», sagte er. Das sehe man auch bei anderen Themen, beispielsweise beim Umgang mit dem Thema Krieg. «Der Anteil der Menschen, die auch in den alten Bundesländern der Meinung sind, es brauche mehr Diplomatie, ist bis in die Bundesregierung hinein größer geworden.»
Kretschmer hat keine bundespolitischen Ambitionen
Bundespolitische Ambitionen für den Fall eines Wahlsieges von Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz im kommenden Jahr verneinte Kretschmer. «Ich war 15 Jahre in Berlin. Dieses Kapitel ist für mich auserzählt. Ich möchte Sachsen eine stabile Regierung geben und arbeite dafür, dass die nächsten fünf Jahre für unser Land erfolgreich werden.» In Berlin müssten das andere Menschen machen. Kretschmer plädierte aber dafür, dass ein Sachse oder eine Sächsin in «erster Reihe» in einer künftigen Bundesregierung vertreten sein müsse.
Die CDU hatte bei der Landtagswahl am 1. September mit 31,9 Prozent knapp vor der AfD (30,6 Prozent) gelegen. Das BSW kam aus dem Stand auf 11,8 Prozent. Für eine Fortsetzung der alten Koalition aus CDU, Grünen und SPD reicht es nicht mehr.
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